Maenner weinen nicht
Medikamente zu verschreiben. »Die Anzahl der beantragten und durchgeführten Psychotherapien bei älteren Menschen ist entsprechend gering«, sagt Wolfersdorf.
Während der Behandlung sollten sich Menschen mit einer Altersdepression darauf einstellen, dass die Wirkung der antidepressiven Therapie mitunter später eintritt, als man es von jüngeren Menschen gewohnt ist. Einerseits wirken Medikamente im Alter verzögert, weil Ärzte aus Vorsicht die Behandlung mit einer niedrigeren Dosis beginnen und sich erst langsam an einen wirksamen Medikamentenspiegel herantasten müssen. Zudem reagiert das alternde Gehirn weniger sensibel auf die Medikamente. Andererseits führen bekanntlich oft mehrere Auslöser zur depressiven Episode, sodass es eine Weile dauern kann, bis sich die persönliche Situation des Einzelnen stabilisiert hat. Schlägt dann die Therapie an, verschwinden die traurigen Gedanken, Niedergeschlagenheit und Grübelei lassen nach. Bei den meisten Patienten bleiben keine Symptome zurück. Oft erhöht eine antidepressive Therapie auch die Behandlungserfolge bei anderen körperlichen Erkrankungen. Das wiederum kann die Patienten dazu motivieren, bei der Therapie entsprechend mitzuarbeiten und beispielsweise Medikamente nicht einfach abzusetzen.
Lediglich bei etwa jedem vierten älteren Depressiven bessern sich die Beschwerden nicht ausreichend. Menschen, die früher bereits schwermütig und melancholisch oder chronisch krank waren und schwere Schicksalsschläge erlitten haben, müssen dabei von einer schlechteren Prognose ausgehen. Gerade bei ihnen sollte die Fürsorge über Medikamente hinausgehen: Der regelmäßige Besuch des Pflegedienstes, Hilfe im Alltag durch eine Zugehfrau oder schon ein warmes Mittagessen vom Lieferservice machen möglich, dass die Senioren auch weiterhin in ihrer gewohnten Umgebung leben können.
Einfache Dinge wie diese sind nicht selten das Zünglein an der Waage, wenn es darum geht, weiterhin ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Mindestens genauso wichtig wie ein möglichst komfortables Leben in den eigenen vier Wänden ist ein funktionierendes soziales Netzwerk. Der Zusammenhalt von Familie und der Freundeskreis, aber auch Sozialstationen oder Freizeitangebote im Viertel können verhindern, dass Ältere vereinsamen. Gerade die Isolation und der Verlust der gewohnten Umgebung seien zwei häufige Risikofaktoren für den Ausbruch einer Depression im Alter, warnt Wolfersdorf.
Chemie für die reife Seele
Die Ärzte verschreiben älteren Menschen meist sogenannte trizyklische Antidepressiva (TCA). Sie wirken gut, können aber bei Älteren vermehrt zu Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Sehproblemen sowie Herz- und Kreislaufstörungen führen. Der Grund dafür: TCA greifen gleichzeitig in verschiedene Botenstoffsysteme im Gehirn ein, die auch andere Organe beeinflussen können.
Die Cochrane Collaboration bestätigte diese Beobachtungen: Das Netzwerk internationaler Wissenschaftler fasst die Ergebnisse von Einzelstudien, die in der Durchführung als makellos gelten, in sogenannten Metaanalysen zusammen. Die Forscher publizierten im Jahr 2009 das Ergebnis von 17 Studien, die die Wirksamkeit verschiedener Antidepressiva im Alter untersucht hatten. Alle drei Medikamentengruppen – TCA, selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Monoaminooxidase-Hemmer (MAO) – zeigten im Vergleich zu einem Scheinmedikament eine ähnlich guteWirkung. Bei einem Vergleich von SSRI und TCA, in den sogar 32 Studien einflossen, waren beide Medikamente ähnlich gut wirksam. Jedoch brachen Patienten unter Trizyklika die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen etwas häufiger ab.
Insgesamt gibt es nur relativ wenige Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit von Antidepressiva bei älteren Menschen. Allerdings weiß man, dass die Medikamente im Alter verzögert wirken. Verzweifeln Sie also nicht, falls bei Ihnen die Wirkung nicht nach den üblichen vier bis sechs Wochen einsetzt. Besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob es sinnvoll ist, die Therapie mit diesem Präparat fortzusetzen oder besser auf ein anderes Medikament umzusteigen.
»Bei der Psyche hat Gott mir einen Streich gespielt« II
»Ich laufe meinen Depressionen einfach davon, das habe ich irgendwann mal beschlossen. Wann immer es geht, laufe ich, am Tag mindestens zwei Stunden. Ich glaube, das Laufen hält mich in den ganz schweren Zeiten am Leben. Es lenkt mich ab, bringt mich auf andere Gedanken. In der Stadt treffe ich unterwegs häufig Bekannte,
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