Maenner weinen nicht
wie plötzliche Bescheidenheit, großzügiges Verschenken, Abgeklärtheit und Ruhe oder auch ein langsamer, beinahe unmerklicher Rückzug. Hilfe kann nie allumfassend sein und sicher den Suizid verhindern. Niemand kann für einen anderen Menschen komplett die Verantwortung übernehmen oder ihn den ganzen Tag beaufsichtigen.
Haben Sie jedoch einen Verdacht, warten Sie nicht ab, sondern holen Sie sich Hilfe. Die Telefonseelsorge oder ein anderer Beratungsdienst könnten hierbei ein erster Schritt auf der Suche nach Unterstützung sein. Oder ziehen Sie direkt einen Arzt zurate. Das kann der diensthabende Mediziner der psychiatrischen Klinik sein, in der Ihr Angehöriger bereits früher einmal stationär behandelt wurde, oder sein Psychotherapeut.
Davon abgesehen: Reden Sie! Sprechen Sie mit Ihrem Partner über seine Gedanken. Fragen Sie ihn, ob er über einen Selbstmord nachdenkt, welche genauen Pläne er hat und was ihm dabei durch den Kopf geht. Stellen Sie offene Fragen, damit er Ihnen davon erzählen kann. Allein das Reden kann für Ihren Angehörigen entlastend sein. Halten Sie sich dabei mit gut gemeinten Ratschlägen zurück, denn das könnte in ihm das Gefühl auslösen, dass Sie für seine Situation kein Verständnis haben. Setzen Sie ihn mit Ihren Erwartungen nicht unter Druck, sondern geben Sie ihm das Gefühl, dass Sie für ihn da sind. Falls Ihnen die Worte fehlen, schauen Sie, ob mögliche Formulierungen wie diese Ihnen weiterhelfen könnten:
Was machen deine Suizidgedanken?
Welche Gedanken gehen dir durch den Kopf, dass du dich so bedrückt fühlst?
Warum möchtest du deine Ruhe haben, nichts mehr hören und sehen?
Denkst du darüber nach, dir das Leben zu nehmen?
Beschäftigen dich wieder Gedanken, dir das Leben zu nehmen?
Alles, was Ihr Gegenüber Ihnen auf Ihre Fragen antwortet, sollten Sie ernst nehmen. Häufig wird behauptet, dass Suizidgedanken nicht mehr seien als ein Hilferuf, dass jemand, der einen Todeswunsch äußert, sich lediglich die Aufmerksamkeit anderer Menschen sichern wolle. Nein! Jede entsprechende Äußerung Ihres Partners, Sohnes oder Freundes bedeutet, dass er in ernsthafter Gefahr ist.
Verhängnisvolles Erbe
Als der amerikanische Erfolgsautor Ernest Hemingway sich im Juli 1961 mit einer Schrotflinte in die Stirn schießt, reiht er sich mit seiner Tat in eine traurige Familientradition ein: 1928 brachte sich schon sein Vater um. Auch Hemingways Schwester Ursula stirbt selbstbestimmt – fünf Jahre nach Ernest nimmt sie eine Überdosis Schlafmittel. 1982 erschießt sich auch noch der jüngere Bruder Leicester. Die jüngste Familienangehörige, die sich suizidiert, ist Ernest Hemingways Enkelin Margaux. Die Schauspielerin setzt ihrem Leben nach zwei gescheiterten Ehen und schwer alkoholkrank im Jahr 1996 mit Beruhigungsmitteln ein Ende. Alle fünf Hemingways sollen depressiv gewesen sein.
Fünf Selbstmorde wegen Depressionen in drei Generationen – Zufall, außergewöhnliche Häufung oder fatales Erbe? Prägte Vater Hemingway durch seinen Selbstmord seine Kinder derart, dass alle in den gleichen Strudel der Verzweiflung gerieten? Oder waren die Lebensumstände der Familie so abschreckend, dass einige Mitglieder keinen anderen Ausweg sahen, als sich in den Tod zu flüchten?
Tatsächlich geht die Wissenschaft davon aus, dass im Falle der Familie Hemingway eine erbliche Komponente für schwere Depressionen und die Neigung zur Selbsttötung vorliegt. Forschungsergebnisse wie die von Ross Baldessarini und John Hennen von der Harvard Medical School in Boston untermauern solche Annahmen. Sie stellten fest, dass Menschen sich fünfmal häufiger umbringen, wenn zuvor bereits Verwandte den Freitod wählten. Offenbar bedingt sich das suizidale Verhalten in mehrere Richtungen: Suizidversuche treten gehäuft in Familien auf, in denen sich bereits jemand umgebracht hat. Und erfolgreiche Suizide sind in solchen Familien häufiger, in denen es zuvor schon einmal Suizidversuche gab.
Doch nicht nur die Neigung zum Freitod wird vererbt, sondern auch der Hang zur Depression. Mit der Hilfe von Familien-, Zwillings- und Adoptionsstudien hat man herausgefunden, dass manche Menschen aufgrund ihrer genetischen Ausstattung empfindlicher für Depressionen sind als andere. Solche Studien widmen sich vor allem familiären Zusammenhängen und Phänomenen. Sind Mutter oder Vater depressiv, erkranken ihre Nachkommen mit einer Wahrscheinlichkeit von 10 bis 15 Prozent. Sind beide Elternteile betroffen,
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