Maenner weinen nicht
setze mich zu ihnen, wechsle vielleicht ein paar Worte. Bis zu meinem Herzanfall vor einem halben Jahr bin ich oft lange Touren gewandert, auch mit Skiern, habe Fußball und Tennis gespielt, bin sogar mit meinen Kindern und Enkeln beim Snowboarden gewesen. Heute muss ich mich auf das Gehen beschränken.
Über die Jahre hat meine Krankheit die Macht ein wenig über mich verloren. Warum? Ich verstecke sie nicht mehr. Im Gegenteil, es tut mir gut, wenn ich mit Menschen darüber rede, denen ich vertraue. Es geht mir besser, wenn ich mich dazu bekennen kann. Und es macht mich zuversichtlich, dass ich in guten Händen bin. Ich weiß: Bisher bin ich immer wieder auf die Beine gekommen – und das werde ich auch dieses Mal. Gewiss.«
Suizid als letzter Ausweg
Er habe trotz seiner schlimmen depressiven Krisen nie wirklich daran gedacht, sich selbst zu töten, sagt Frank Wedel heute. Es mag für ihn einen Halt, eine Hoffnung auch in düstersten Zeiten gegeben haben, die ihn davor schützte. Wedel ist allerdings eine Ausnahme. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass depressive Männer drei Mal häufiger Suizid begehen als depressive Frauen. Und je älter sie sind, desto mehr steigt die Zahl.
Gunter Sachs beging Selbstmord, weil er sich unheilbar krank wähnte. Der Schiedsrichter Babak Rafati schnitt sich in der Badewanne eines Kölner Hotels die Pulsadern auf, möglicherweise, weil der Druck auf dem Spielfeld für ihn zu groß geworden war. Der Moderator Bruce Darnell fuhr mit dem Auto gegen einen Baum, und der Fußballer Andreas Biermann atmete bei seinem Suizidversuch 2009 Autoabgase ein. Diese Männer waren wahrscheinlich alle depressiv. Ihre Hoffnungslosigkeit, die Zukunftsängste und negativen Gedanken belasteten sie so stark, dass ihnen ihr aktuelles Leben im Moment des Suizidversuches unerträglich erschien.
Schaut man genauer hin, wollen allerdings die allermeisten suizidalen Menschen gar nicht sterben. »Sie haben das Gefühl, nicht mehr so weiterleben zu können wie bisher, wissen aber nicht, ob und wie sich etwas ändern ließe«, sagt der Hamburger Suizidforscher Reinhard Lindner. Ihr jetziges Leben schmerzt sie derart, dass sie es darin einfach nicht mehr aushalten. Der Selbstmord wird als einzig mögliche Lösung der Lebensprobleme gesehen – und der eigene Tod in Kauf genommen, um dem persönlichen Elend zu entfliehen.
Denis Metz; aus Fiese Bilder 2, © 2010 Lappan
Der Tod macht uns Menschen Angst, natürlich, und noch mehr Angst macht uns der Gedanke, dass jemand selbst Hand an sich legt. Dabei sind Suizide häufiger, als es sich viele von uns vorstellen können: Etwa alle 53 Minuten stirbt in Deutschland ein Mensch aus eigenem Antrieb, alle fünf Minuten versucht jemand, sich umzubringen. Die Dunkelziffern für Suizide und Suizidversuche schätzen Experten wie Lindner noch viel höher ein: Unfälle, ungeklärte Todesursachen, Drogentodesfälle, vertuschte Suizide, um das Ansehen der Familie nicht zu schädigen, treiben die Statistik in die Höhe. Letzten Endes sterben hierzulande mehr Menschen durch Strick, Tabletten oder den Sturz aus der Höhe als durch Verkehrsunfälle, illegale Drogen, Gewalttaten und Aids zusammen.
Von den etwa 10000 Selbsttötungen jährlich entfallen drei Viertel auf die Männer. Woran mag das liegen? Haben Männer einen stärkeren Leidensdruck? Ist das starke Geschlecht anders depressiv? Suizidforscher Lindner fasst den Stand der Forschung dazu zusammen: »Männer wissen es oft nicht besser, als mit belastenden Gefühlen, Konflikten und Problemen äußerst aggressiv umzugehen. Im Falle des Suizids richten sie diese Aggressionen gegen sich selbst.« In Momenten der Verzweiflung, bei Trennung, Kränkung oder beruflichen Misserfolgen fehlt es ihnen an vertrauten Personen, mit denen sie reden können. Während die Frau für ein paar Tage zur besten Freundin zieht und sich einen Psychotherapeuten sucht, neigen Männer eher dazu, ihre Krisen im Alleingang zu bewältigen.
Die Frage »Wohin mit den Gefühlen?« trügen viele Männer bereits seit Kindertagen mit sich herum, sagt Lindner. Schon für kleine Jungen sei es schwer, Wut, Trauer und Enttäuschung zu äußern. Für erwachsene Männer, die in sich kreisenden, hoffnungslosen Gedanken und ohne Aussicht auf Linderung oder Hilfe gefangen sind, ist der Suizid manchmal das letzte Mittel, ihr Selbstwertgefühl zu retten und nicht als Jammerlappen dazustehen. »Um diesem Anspruch gerecht zu werden, muss der Suizid erfolgreich
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