Maenner weinen nicht
Nachhaken bringt oft Erstaunliches zutage.
6 Wege aus der Finsternis
»Übe unablässig den Leib,
mache ihn gesund und kräftig,
um ihn weise und
vernünftig zu machen.«
Jean-Jacques Rousseau,
Emile oder über die Erziehung , 1762
Den ersten Schritt gehen
Wenn Sie sich an Ihre Kindheit und Jugend erinnern – wie war das bei Ihnen zu Hause? Haben Ihre Eltern Sie dazu ermuntert, darüber zu sprechen, wenn Sie etwas bedrückte? Oder hat Ihre Familie eher nach dem Motto gelebt: »Über Gefühle redet man nicht!«? Durften Sie auch mal Schwäche zeigen, oder galt die Devise »Echte Kerle weinen nicht«? Je nachdem, wie Ihre Antwort ausfällt, wird es Ihnen leichter oder schwerer fallen, sich wegen Ihrer Erkrankung Hilfe zu suchen. So wie Ihnen geht es dabei vielen Männern – aus ganz unterschiedlichen Gründen: Sie befürchten, dass die Depression nicht heilbar ist, es sich also gar nicht lohnt, mit jemandem darüber zu sprechen. Andere haben Angst davor, dass die Kollegen etwas mitbekommen könnten und man ihnen im Job nichts mehr zutraut. Oder sie treibt die Sorge um, dass sie ihrer Familie zur Last fallen könnten.
Doch es gibt keinen guten Grund, eine Depression zu leugnen, denn sie ist eine Krankheit wie viele andere auch: »Mit den richtigen Strategien lässt sie sich erfolgreich behandeln«, sagt Psychiater und Depressionsexperte Manfred Wolfersdorf. Allerdings bedarf es mehr als einer Operation, Pille oder Infusion; die Betroffenen müssen dazu bereit sein, Schritt für Schritt ihr Leben zu verändern. Im Verlauf dieses Prozesses werden sie erkennen, was sie krank macht, werden eingefahrene Muster verstehen und sie ändern und wieder Verantwortung für ihr Leben übernehmen. Vielleicht dauert es einige Wochen oder Monate bis zur Genesung. Vielleicht geht es zwischendurch mal nur einen Schritt vorwärts, dafür aber drei zurück. Doch das ist allemal besser, als sich gar nicht helfen zu lassen. Denn je länger eine Depression unbehandelt bleibt, desto schwieriger könnte es werden, wieder zu genesen. Die Auslöser, die zu einer erneuten depressiven Krise führen, so Wolfersdorf, würden immer schwächer. Am Ende entfache sich die Depression von selbst.
Falls es Ihnen momentan widerstrebt, Hilfe anzunehmen, dann tun Sie es für Ihre Familie und Ihre Frau, Ihre Kinder und Ihre Enkel oder Ihre Freunde. Denn auch sie leiden mit Ihnen. Schieben Sie die Gedanken weg, die sich Ihnen bei der Suche nach Hilfe in den Weg stellen: das Gerede der Kollegen, die Schamgefühle oder die Angst, vielleicht nie wieder gesund zu werden. Nehmen Sie Ihren Mut zusammen und holen Sie sich die Hilfe, die Sie brauchen. Depression ist keine Schande oder Schwäche, Depression ist eine behandelbare Krankheit.
In die moderne Therapie der Depression sind heutzutage verschiedene erfolgreiche Ansätze eingebunden. Psychotherapie und Medikamente – das sind die beiden wichtigsten Pfeiler, auf die sich die Behandlung stützt. Seltener kommen Licht- und Elektroschocktherapie oder Schlafentzug und Nervenstimulation zum Einsatz. Neuen Erkenntnissen zufolge haben auch Meditationsformen wie das Achtsamkeitstraining und regelmäßiger Sport eine positive Wirkung. Massagen oder Kneipp’sche Anwendungen, Entspannungsübungen und Akupunktur unterstützen Sie dabei, sich zu erholen und neuen Lebensmut zu fassen. Wenn Sie den Methoden und den Fähigkeiten der Ärzte vertrauen und Sie einigermaßen geduldig sind, ist die Chance erheblich größer, dass es Ihnen bald besser geht.
So entsteht die Depression
Um eine Depression erfolgreich zu behandeln, sollte man zunächst ihre Ursachen kennen. Die sind komplex und bislang nur teilweise verstanden. Experten gehen davon aus, dass mehrere Gründe zusammentreffen müssen, um die Erkrankung auszulösen: biologische Faktoren, bisher im Leben gemachte Erfahrungen, aktuelle Lebensereignisse sowie in der Kindheit und Jugend erlernte Muster, wie man Konflikte, Probleme und unangenehme Gefühle verarbeitet.
Biologische Faktoren: Männer, die an einer Depression erkranken, verfügen über zu wenig Serotonin. Dieser Botenstoff im Gehirn beeinflusst Stimmungen und wirkt darüber hinaus auf verschiedene Hirngebiete, die für Schlaf und Appetit und die Libido verantwortlich sind. Alle depressiven Menschen leiden daher unter ganz ähnlichen körperlichen Symptomen: Sie berichten über Schlafstörungen, haben weniger Appetit und Lust auf Sex. Doch depressiven Menschen mangelt es nicht nur an Serotonin; ihnen fehlt
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