Maenner wie Tiger
scheren!«
Der patrón blinzelte zu Charley hinüber. »Halten Sie das nicht für überflüssig, Senhor? Ein Mann mit einem solchen Gesicht muß ohnedies wissen, daß er in die Hölle kommt.«
»Was will er von mir?«
»Eine Flasche Wein mit Ihnen trinken. Vielleicht auf das Wohl seiner Mutter.«
Ob er seine Mutter überhaupt kennt? fragte ich mich.
»Der Wein ist sicher schlecht«, meinte Harry.
»Jeder Wein ist hier schlecht«, sagte der patrón gleichmütig.
»Zudem stinkt’s drinnen.«
»Ich bemerk’s nicht. Rauchen Sie eine cigarillo« , riet der patrón , »und wenn Sie eine Weile drinnen sind, werden Sie’s auch nicht mehr bemerken.«
»Also gut«, sagte Harry lachend. Wir drängten uns in die Taverne. Auf halbem Wege jedoch hielten wir unschlüssig inne: Charley sah so merkwürdig drein. Er blickte beschämt auf uns, verbockt wie ein Kind, das Prügel erwartet. Seltsam, es war nicht sein echtes Auge, das so schuldbewußt dreinblickte, das Glasauge nämlich spielte die Rolle des Sünders. Der Qualm der Lampe schien ihn zu ersticken. Er stieß sie weg, zündete eine seiner übelriechenden cigarillos an und blinzelte dabei schwitzend und triumphierend zu uns herüber. Was hatte er angestellt? »Er führt etwas im Schilde«, flüsterte ich Harry zu. In diesem Augenblick hörten wir aus einer Ecke der Taverne, wohin ich nicht sehen konnte – wie still war es plötzlich geworden! –, eine Gitarre klimpern. Ihr hoher, schriller Ton war es, der uns packte. Aha! Die Fette! dachte ich. Dann hörte ich das Tick-Tack hoher Absätze, hart wie kleine Bälle, die aufspringen, und das Tack-Tack der Kastagnetten, und ich wußte: Jetzt bekommt Charley seine Prügel. Harry, der größer ist als ich, konnte besser in diese Ecke sehen. Er zischte giftig: »Dem werd’ ich den Arsch durch die Zähne dreschen!«, was an diesem Abend den puristischen Miguel zum zweitenmal schockierte. Trotzdem sah Harry hin, sah hin mit kaltem Blick. Ich drängte mich an ihm vorbei. Auch ich wollte hinsehen.
»Bleiben Sie hier!« bat Charley heiser und faßte nach mir. Er brauchte jemanden, er fürchtete sich vor Harry. »Nehmen Sie Platz, Senhor Juan!« sagte er, als wäre ich ein privilegierter Gast. Von seinem Tisch aus hätte ich über die anderen nicht hinwegsehen können. Die Lampe darauf war ausgegangen, vom absterbenden Docht verbreitete sich ein betäubender Gestank wie von einer Giftbombe.
»Laß mich los!« knurrte ich verdrossen. Er aber hing an mir wie eine Klette. »Senhor Juan, setzen Sie sich zu mir! Er wird mich schlagen.«
»Ja, sicher!«
»Und Sie lassen es zu, daß er mich demütigt?«
»Warum nicht? Du läßt mich jetzt endlich los, verstanden?«
»Ich wollte doch nur, daß er die Mädchen sieht.«
»Nun, jetzt sieht er sie. Nimm deine Klaue weg! Ich will sie auch sehen!«
Seit dem Anzupfen der Gitarre war jeder Laut erstorben, als wäre durch die Taverne ein sachter Windhauch gegangen, der alle Köpfe wie Gräser nach einer Richtung drängte. Der Rauch der cigarillos, durchdrungen vom scharfen Geruch sauren Weins und rußender Lampen, lag über den Tischen, dicht wie Dampf über einem Bottich. Wie hinter einem Schleiervorhang produzierten sich die vier Frauen – besser gesagt, die drei Mädchen und die scheußliche Fette. Das also waren die drei willfährigen Töchter und deren Mutter! Ich sah Charley scharf an, der aber lächelte nur matt, mit schweißüberströmtem Gesicht. Die massige Mutter hockte auf einem Schemel: Ihr Fleisch türmte sich Schicht auf Schicht, in ihrem Gesicht glänzte ein krampfhaft zuckersüßes Lächeln, in das sich eine Spur von Verzweiflung mischte; sie hielt die Gitarre weit von sich gestreckt, anders als üblich. Ihrer großen Brüste wegen konnte sie die Gitarre nicht an ihre Schulter lehnen.
»Aber dafür die Mädchen …«, versuchte er mich zu beruhigen. »Wie kann ich sie hören, wenn du deinen Mund nicht hältst?« Sie hatte eine erstaunliche Stimme, diese Frau. Glockenrein stieg es wie aus der dumpfen Tiefe einer Höhle empor. Sie sang ein Volkslied, das die conquistadores nach dem amerikanischen Kontinent gebracht hatten. Überladen mit Kadenzen bebte das Lied in ihrer Kehle. Ihr Gesicht lief rot an, als drückte sie den Blasebalg ihrer Lunge zu heftig. Auch die Gitarre spielte sie recht geschickt. Bitter dachte ich: So ein begabter Ballon! Kann sie von einem solchen Talent nicht gut genug leben? Muß sie noch ihre Töchter verkaufen? Freilich, man kann in San
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