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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Catto
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Kameraden hintergeht man nicht.«
    »Gewiß. Aber ich sag’ dir was: In Wirklichkeit denkt sich Leo ›Pfeif drauf‹!«
    »Du magst recht haben«, sagte Harry und lachte in sich hinein.
    »Wozu also soll das gut sein?«
    »Darüber zu entscheiden, steht nur mir zu.«
    »Hätten sie Gelegenheit, würden sie alle dich hintergehen.«
    »Ich glaub’ auch«, sagte Harry unbewegt.
     
    Das Steinpflaster, über das wir zu holpern schienen, wurde immer ärger. Aus dem Netz sauste eine Tasche auf uns herab. Der Aufwind hatte uns erfaßt, der hier über die Bergspitzen pfiff. Ich glaubte, jetzt und jetzt würde die überalterte Maschine entzweibrechen. Unter dem Bauch der Motoren flatterten neblige Luftwirbel vorbei, schwirrten wie Bälle eines Zauberkünstlers. Sie verschwanden erst, als wir in eine vollkommen schwarze Wolkenwand stießen.
    Diese erstickte jedes Geräusch. In meinen Ohren sang es. Jetzt sind wir auf der Schwelle vom Leben zum Tod, dachte ich.
    Ich ahnte nur die Fortbewegung, das leise Pfeifen der Luft, fühlte das sachte Schieben des Sitzes. Und in dieser seltsamen, schwebenden Stille hörte ich Charley kichern und mit schmatzender Vorfreude zu Miguel etwas Schweinisches, doch Anschauliches flüstern. Sogar mich brachte es aus der Fassung.
    Wir‹ flitzten aus der Wolkenwand heraus, sahen unter uns die Bergspitzen, regellos von Schnee gesprenkelt, schuttbedeckt, als hätten die Straßenkehrer gestreikt. Über allem aber gleißte die Sonne, leuchtete in achtunggebietende Schluchten, worüber ich – für einen Augenblick nur – meine Angst vergaß. Miguel guckte sorglos hinaus. Wie die wilde Jagd rasten wir über Gipfel, fegten mit dem letzten donnernden Windstoß über einen Bergrücken und segelten auf der andern Seite hinab wie Kinder, die eine unvergeßliche Autofahrt hinter sich haben. War es der unruhige Flug, der Harry so schlecht aussehen ließ?
    Da hörte ich Charley zu Miguel sagen, gleich einem Lehrer in einem Kurs für Fortgeschrittene: »Es gibt natürlich bestimmte vorbereitende Taktiken, sie sind reine Formsache, versteht sich. Warum eine Tür einschlagen, wenn man sie durch eine zarte Berührung öffnen kann? Am besten ist’s, man beginnt mit …« Harry ertrug es nicht länger. »Wirst du endlich aufhören?« schrie er. »Jetzt reicht’s mir!«
    Charley wandte sich um und fragte erstaunt: »Senhor Harry?«
    »Geh nach hinten! Weg von Miguel! Wenn du noch einmal den Mund auftust, schmeiß ich dich hinaus! Das schwöre ich dir!«
    Charley kicherte. »Das werden Sie doch nicht tun …«
    »Probier’s nicht!«
    »Sagte ich etwas, das Ihre Ohren beleidigte?«
    »Ja, und jetzt halt’s Maul!«
    Charleys echtes Auge sah verständnislos drein, das gläserne verriet nichts. Er glitt von seinem Sitz und kroch ins Heck. Harry ging nach vorn und sagte zu Miguel: »Ich übernehme jetzt!« Er stieß ihn mit dem Ellbogen vom Pilotensitz.
    Die Maschine quälte sich über die Vorberge und verlor an Höhe. Ich sah Harry zu, wie er sie in der gleißenden Sonne hinuntersteuerte, über ausgetrocknete Wasserläufe hinweg, und überlegte, was Luke gesagt hätte, wäre er mit uns gewesen – einer brauchte das Rezept dieses Arztes besonders nötig, das wußte ich. Dann glitten fruchtbare Felder unter uns hinweg, indianische Taglöhner mit riesigen Strohhüten richteten sich von der Arbeit auf und sahen uns nach, bis sie uns aus den Augen verloren.
    Schließlich tauchten am Ende des Tals die roten Dächer von San Juacinta auf, die kleine doppeltürmige Kirche, weiß wie Kalk und mit einer vergoldeten Turmuhr, die beim Erdbeben von 1901 stehengeblieben war. Im Staub der provisorischen Landebahn setzten wir auf.
    Ich war der erste, der ausstieg, während sich die Propeller noch drehten. Diesen Flug werde ich nicht so leicht vergessen, sagte ich mir.
    Es waren nicht viel Leute in der Taverne, doch machten sie einen Höllenlärm, die Lampen stanken scheußlich, und das Summen der Moskitos um sie herum hörte sich an, als zerrisse man Seide. Miguel und ich gingen hinaus, um im Freien unsern picksüßen Kaffee und den Conhac espanhol zu trinken. Dort war es auch nicht viel besser. Aasgeier hatten sich mit harten Krusten auf den Bänken verewigt, und in der Bar drüben kreischte aus einer Musikbox erbarmungslos ein Samba, ergoß sich über das Kopfsteinpflaster der engen Gasse, floß hinunter wie Wasser in einem Graben. San Juacinta ist weder ein ruhiger noch ein wohlriechender Ort.
    Da umklammerte Miguel meinen Arm.

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