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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Catto
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Juacinta die Freunde andalusischer Volkslieder an den Fingern abzählen. Die Männer in der Taverne hörten ihr auch gar nicht mehr zu, nur die Töchter verschlangen sie mit den Blicken.
    Ich sah den Mädchen zu. Dilettantisch wirbelten sie die Röcke, stampften sie mit den Absätzen. Ihre Kleider, für andere geschneidert, waren abgetragen. Unter geplatzten Nähten lugte ein bißchen Fleisch hervor. Die Kastagnetten klapperten scheußlich, der Rhythmus stimmte nicht.
    »Schauen Sie sich die Älteste an!« stieß Charley gierig hervor und drückte meinen Arm.
    »Schau dir lieber Harry an!«
    Er blickte ängstlich zu Harry hinüber, als könnten Fäuste auch meterweit zuschlagen. Geschwind leerte er die Flasche, die er mit uns hätte teilen sollen – auf das Wohl seiner Mutter, wie der patrón gesagt hatte. (Später erzählte mir dieser traurige Gnom mit dem Glasauge, daß seine Mutter ihn weggelegt hatte – in einem Pissoir. Wahrscheinlich war sie froh gewesen, ihn los zu sein.)
    Ich wußte: Charley der Kuppler, Charley, der Gelegenheitsmacher – diesmal ist er zu weit gegangen! Er rang die Hände mir vor der Nase, flüsterte flehend immer wieder. »Sprechen Sie mit Senhor Harry!« und schob mir dabei seine unzusammenhängenden Augen so nahe ins Gesicht, daß ich den Schweiß auf seiner Haut und den Wein in seinem Atem riechen konnte. Verzweifelt versuchte er, sich mit mir zu verbünden, ich schien ihm der einzige, der sich vor Harry nicht fürchtete.
    Meine Augen suchten Harry. Er war in der Menge untergetaucht. Der Gestank drehte mir den Magen um, als hätte ich mir eine Feder in den Hals gesteckt. Die Männer beobachteten noch immer die Mädchen, beobachteten sie aus den Augenwinkeln, beobachteten sie still: braune, sinnliche Gesichter mit indianischen Backenknochen, ein bißchen conquistadore, ein Spritzer Negerblut dabei – alles gut vermanscht wie Kompost. Sie hatten gerade genug Geld für ein Glas Wein, aber es kostete nichts, wenn sie zusahen und ihre Phantasie bei dem verweilen ließen, das sie kaufen würden, hätte Gott sie reich gemacht.
    »Sind die Mädchen nicht wunderbar? Sogar für einen alten Mann wie Sie«, stammelte Charley taktlos. »Seien Sie ehrlich: Hab’ ich übertrieben?«
    »Halt’s Maul!«
    So weit hatte er es gebracht: Ich kam mir so alt vor wie Pharao Ramses in seinem Grab.
    Miguel, der die Mädchen lustvoll betrachtete, sagte nervös: »Sie sind sehr hübsch.« Ich hatte den Eindruck, er schwitzte. Die Pfaffen, die so viel Zeit an ihn verschwendet hatten, würden das Flackern seiner Augen nicht billigen.
    Wie schrecklich schlecht sie tanzten! Formlos wie Schlangen wanden und drehten sie sich. Die Mutter hatte alle Gaben auf sich vereint: Sie konnte singen, konnte Gitarre spielen – aber den Töchtern hatte sie nichts vererbt. Ich merkte mir an, mit wieviel Neid ich die Mädchen betrachtete: die flinken, geschmeidigen Körper, die vollentwickelten Brüste, die geschminkten jungen Gesichter – ja, das war’s, um die ich sie beneidete! Auch schön waren sie, natürlich und wild, wie mir schien, besonders die Älteste. Die ist auch die Klügste von den dreien, sagte ich mir, die hat den harten Glanz von Quecksilber! Die beiden Jüngeren schienen sich sklavisch nach ihr zu richten, sie stellten ihre Bewegungen ganz auf sie ein. Sie führte das Rudel.
    »Eigentlich sind sie fast noch Kinder«, sagte ich, fast mitleidig, zu Charley.
    »Was heißt Kinder? Hier, in diesem Land?« Er tat, als hätte ich Lateinamerikas Frauen beleidigt. »Vermutlich hat es jede bisher schon mit zwanzig Männern zu tun gehabt.«
    »Aber Charley!« kam es von Miguel entsetzt.
    »Ich schwör’s. Das ist die reine Wahrheit!«
    »Schon gut, Charley«, lenkte ich ein. »Ich bin sensibel und liebe es daher nicht, diese Art Wahrheit über Lateinamerika zu hören.«
    »Wovon lebt die Mutter? Was glauben Sic*«
    »Ich will’s nicht wissen.«
    »Vielleicht von der Fürsorge?«
    »Hör auf, Charley!«
    »Vielleicht vom Gitarrespielen?« schrie Charley wütend.
    »Halt’s Maul endlich! Die anderen schauen schon her.« Er hatte zuviel Wein getrunken. Schweiß brach aus seinem traurigen, fleischigen Gesicht wie aus einem nassen Schwamm, den man zusammendrückt. Ich konnte nicht begreifen, warum sich beide Augen bei ihm mit Tränen füllten – es sei denn, das Glasauge zeigte auf diese Weise Mitgefühl.
    »Für einen cruzeiro kann man heute aus einem Automaten bessere Gitarrespieler hören!« schrie er albern, sprang

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