Maenner wie Tiger
Beißend roch der verschüttete Wein, ein Mann brummte verdrossen über den Verlust. Aber es löste die Spannung.
Viertes Kapitel
Harry ließ Charley los. »Der Kerl macht mich fertig«, sagte er.
»Du bist zu heftig, Harry!« gab ich ihm zu bedenken.
»Er soll aufhören, den Überlegenen zu spielen.«
»Ich meinte es gut«, klagte Charley ängstlich und fühlte prüfend sein Genick, ob es noch hielte. »Ich wollte unsern Männern im Camp nur gefällig sein …«
»Mir hast du gefällig zu sein!«
»Ich weiß, Senhor Harry, wie ungewohnt Ihnen Frauen sind. So dachte ich: Wenn ich den Boden vorbereite, werden Sie sich vielleicht an den Gedanken gewöhnen …«
»Nein, das werde ich nicht, nie und nimmer«, erklärte Harry. »Das ist kein Land für Zartbesaitete. Die angelsächsische Bescheidenheit in Ihnen …«
»Wirst du jetzt endlich dein Maul halten?«
»Sie wollen doch nicht, daß das Camp wie ein Ballon zerplatzt?«
»Scheinheiliger Kerl, du!«
»Senhor Harry, Sie werden die Männer nicht halten können!«
»Ist das deine Sorge?«
»Senhor Harry, Sie selbst sind meine Sorge!«
»Ach was! Schließ keine Geschäfte für mich mit diesem Gesindel da!« sagte Harry und verzog sein Gesicht, da er spürte, wie sich hinter ihm mit einemmal etwas breitmachte: die Fette mit ihrer fleischigen Masse, ihrer Hitze und ihrer Unruhe. Die Gitarre – immer war sie ihr im Weg, gleichwie sie diese auch halten mochte – schlug knallend gegen seinen Stuhl. Schrecken und Verzweiflung in ihrer Stimme wirkten theatralisch, auch die Schminke klebte ihr noch im Gesicht. »Warum?« rief sie wie eine miserable Schauspielerin, die eine zu höchst dramatische Szene probiert. »Warum mußten Sie uns diese Schande antun? Warum? Warum?« Schweiß löste die Wimperntusche, eine häßlich schwarze Schmiere rann ihr über die Wangen. Mit einemmal sah sie sehr lebensecht aus.
Harry sagte nichts.
»Was haben wir Ihnen getan?«
Harry machte eine wütende Geste zu Charley, damit er ihn von dieser Person befreie, und heftete seinen Blick auf den Tisch, um ihr nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Ich hörte ihn voll Ekel zu Charley flüstern: »Um Christi willen! Schaff sie fort!« Doch Charley tat nichts, indes die Fette traurige Klagen auf ihn niederprasseln ließ. »Sie haben ihr den Auftritt ruiniert. Sie haben mich fast erwürgt. Sie kann nicht verstehen, warum«, sagte er betrübt.
»Sie braucht nichts zu verstehen. Ich ertrage sie nicht neben mir. Fort mit ihr!«
»Sie ist doch auch nur ein Mensch.«
»Ansichtssache …«
»Sie sagt, der patrón ist wütend, er wird sie vor die Tür setzen.« Maschinengewehrartig redete die Fette auf Charley ein, portugiesisch und spanisch und unter Tränen. Wimperntusche und Rouge flossen ineinander, wurden eine undefinierbare Masse. Und Charley plapperte ihr nach, als säße er in einem Wagen, der mit ihm davonrollte. »Ihre Töchter werden hungern müssen.« Da änderte er plötzlich seinen Ton. »Sie übertreibt natürlich«, flüsterte er augenzwinkernd, »denn was sie selbst betrifft, spielt dies ohnedies keine Rolle mehr.«
»Warum?« wollte ich wissen.
»Sehen Sie sich doch ihr Gesicht an! Die Farbe: wie reifer Käse, so blau. Sie muß etwas mit dem Herzen haben«, sagte er leise und sah dabei prüfend wie ein Arzt zu ihr hinauf. Ein Tropfen ihres Schweißes fiel auf seine Nase, so nahe stand sie über ihn gebeugt. »Diese Waggonladung Fleisch könnte nicht einmal ein Herkules hochheben. Der Bauch wird ihr platzen. Eines Tages wird sie hopsgehen, glauben Sie mir!«
»Jawohl, Herr Doktor!« spottete ich.
»Sie ist ja nicht meine Mutter, daher geht’s mich nichts an.«
»Sag ihr, sie soll endlich verschwinden!« fuhr Harry dazwischen.
»Senhor Harry, ich kann sie doch nicht wie einen Ball fortschleudern!«
Meine Augen suchten die Mädchen. Sie waren fort. »Laß sie niedersetzen!« sagte ich mitleidig zu Charley. »Es muß auf dieser Welt doch ein wenig Höflichkeit, ein wenig Erbarmen geben.« Sie blickte mich dankbar an, Schweiß sprang ihr aus allen Poren. Wieder war ihr die Gitarre im Wege, die Saiten schlugen an, als sie sich mühte, ihren riesigen Hintern in den Stuhl zu zwängen, der unter ihrer Last krachte. Harry warf mir einen wütenden Blick zu. Ich flüsterte: »Laß sie! Gibt es denn keine Nächstenliebe? Biete ihr doch einen Drink an!«
»Qé quiere que encargue para usted?« fragte ich die Fette. »Gracias, Senhor! Wisky?«
»Der Wisky in diesem verflohten Loch
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