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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Catto
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auf, stieß den Stuhl zurück und legte mit wackelndem Hintern einen Rock an’ Roll hin, wobei er das frenetische Gehämmer der modernen Schule nachahmte: Randzone der Psychopathie!
    Alle wendeten ihre Aufmerksamkeit von den Mädchen ab und starrten verblüfft auf ihn. Die Fette muß gefühlt haben, wie sie ihre Zuhörer verlor. Sie stockte und blickte Charley vorwurfsvoll an.
    Da bemerkte ich Harry. Er lehnte sich nach hinten, an die Theke, und sah voll Ekel auf die Mädchen.
    »Dieses Faß von einer Frau! Dieser Berg aus Fett!« schrie Charley. »Piepst wie ein Kanarienvogel!« Törichte Tränen netzten sein gelbliches Gesicht. Er sah wirklich komisch aus.
    Die Älteste – Dolores war es – blitzte mit ihren Augen wütend zu Charley herüber. Ich hörte, wie die Mutter sie zu beruhigen versuchte. Die beiden Jüngeren gerieten für kurz aus dem Takt. »Sie läßt sich von ihren Töchtern erhalten«, murmelte Charley und plumpste auf den Sessel zurück. Er winkte dem patrón, ihm noch eine Flasche zu bringen.
    Den patrón zu warnen, deutete ich über Charleys Kopf hinweg: Nein! Harry fing meinen Blick auf. Er drehte den Mädchen den Rücken und machte Miene, auszuspucken.
    »Die Mädchen verhungern«, klagte Charley.
    »Laß gut sein …«
    »Senhor Juan, Sie sehen ja: Kein einziger hier wirft ihnen Geld zu!«
    »Ja, Charley.«
    »Niemand kann es sich leisten, zimperlich zu sein, wenn der Magen kracht. Die Mutter läßt sich von diesen schönen, jungen Körpern erhalten«, schrie Charley.
    Die Fette hielt mit dem Blasebalg ihrer Lungen einen durchdringenden Ton, als hätten sie Charleys Worte getroffen. Ihr Gesicht war seltsam bläulich angelaufen, wie ich bemerkte.
    Miguel versuchte, nicht auf die Mädchen zu sehen. Er schwitzte übermäßig, sein Gesicht war fahl.
    »Mit wem schlafen die Mädchen?« fragte ich Charley leise. »Mit niemanden.«
    »Und niemand erhält sie?«
    »Diese Tagelöhner hier? Auch wenn sie zusammensteuerten, könnten sie ihnen keine Mahlzeit bezahlen«, sagte Charley verächtlich.
    »Ach so.«
    »Es gibt keine Händler hier, keine reichen Kaufleute … Und deshalb«, setzte er rasch fort, »kann ich, wenn ich geschickt bin, mit der Mutter abschließen, kann so viel Schönheit zu einem Aufenthalt im Camp verpflichten.«
    »Harry will die Mädchen nicht.«
    »Senhor Juan, Sie müssen mit ihm sprechen …«
    »Sprich selbst mit ihm!«
    »Er wird mich schlagen.«
    »Von mir aus.«
    »Ich flehe Sie an, um Christi willen, Senhor Juan! Dort im Camp darben fünfundsechzig Männer …«
    »Vierundsechzig! Ich zähle nicht, denn ich darbe nicht.«
    »Was ist mit Senhor Harry los?«
    »Frag ihn selbst!«
    »Warum ist er so engherzig?« Charley wandte sich nach Harry um, der aber stand nicht mehr an der Theke. Da ergriff Charley meine Hand und sagte: »Wir müssen seine Meinung ändern, ich und Sie, wir beide nämlich sind pfiffig, sind Männer mit Erfahrung. Wir müssen ihn vorsichtig bearbeiten.« Das Wort blieb ihm stecken, als von hinten eine Hand nach ihm langte und seinen Hemdkragen zu einer Schlinge drehte.
    »Los also! Bearbeite mich!« schrie Harry und drehte den Hemdkragen noch enger. »Senhor …«
    »Ändere meine Meinung!«
    »Harry, du erwürgst ihn!«
    »Dafür ist er zu pfiffig!« Noch nie hatte ich Harry so wütend gesehen. Er ging ganz nahe an Charleys Gesicht heran und drehte den Hemdkragen enger und enger. Von Charley kam ein halberstickter Laut. Wenn man entsetzt ist, hat man zuweilen die absurdesten Gedanken. Ich hätte gern gewußt, welches Auge ihm zuerst herausspringen würde, das echte oder das gläserne.
    »Es war doch nur Spaß«, schnaufte Charley.
    »Komm nur her, du Mann mit Erfahrung!«
    »Bitte …«
    »Du wirst also für mich den Betrieb und das Camp leiten, was?« schrie Harry ungerührt.
    Charley trommelte mit den Füßen gegen den Tisch. Alle starrten zu uns her: der patrón an der Theke, die Mädchen, die mitten im Tanz innegehalten hatten, die Männer, staunend, doch würdevoll. Aus meinen Augenwinkeln heraus bemerkte ich, daß sich die Fette erhoben hatte. Wie erstarrt hing sie über der Gitarre, mit offenem Mund, aus dem kein Laut kam – wie in einem Film ohne Tonstreifen. Ängstlich überlegte ich, ob wir mit den anderen aneinandergeraten würden. Der patrón war ein großer, kräftiger Mann. Ich schob meinen Stuhl aus dem Weg, für den Fall, daß ich laufen müßte. Da ließ einer ein Glas fallen. Es zersplitterte in der Stille wie ein Kirchenfenster.

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