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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Catto
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rückte Barney zurecht. Er liebte die Ordnung. »Es ist nicht hoch.«
    »Aber es passierte.«
    »Ja.«
    »Und was tat er sich eigentlich?«
    »Er brach sich das Genick.«
    Harry war’s, der ihn hochzog.
    Er und auch die anderen, die mit ihm gewesen waren, verschwanden, wie vom Erdboden verschluckt.
    Überrascht bemerkte ich, daß im Tagraum die Musik die ganze Zeit über mit ohrenbetäubendem Lärm angedauert hatte. Füße stampften. Welches Vergnügen mögen Männer daran haben, mit Männern zu tanzen? Nim, es wird nicht mehr lange dauern, kann nicht mehr lange dauern, dachte ich.
    Die Stille, die plötzlich eintrat, war unheimlich. Mich überlief es kalt. Wir konnten sie sehen, wie sie aus der Baracke quollen. Unmöglich, sie zu zählen. Schwarzen Kugeln gleich, an einer Schnur aufgefädelt, bewegten sie sich in Klumpen zum Lazarett hinüber. Dort sammelten sie sich. Wir hörten leise Stimmen, dann laute Stimmen, fordernde Stimmen. Weswegen sind sie so hysterisch? fragte ich mich.
    Dann wieder hörte ich Harrys Stimme, klar, schneidend. Man sollte ihn dort drüben nicht allein lassen, dachte ich.
    »Nein! Du gehst nicht!« sagte mir Leo, wiewohl ich noch keinen Schritt getan hatte. »Du bist zu alt.«
    Dem Priester verstellte er mit der Schulter den Weg. »Auch Sie nicht! Sie am allerwenigsten.«
    »Was wollen sie drüben?« fragte Pater Luis.
    »Das werden Sie noch rechtzeitig bemerken«, gab ihm Leo zurück. Aber ich glaube, er wußte es selber nicht.
    Jetzt begannen sie zu rufen. Wo ist denn nur Luke? fragte ich mich. Ausgerechnet jetzt ist er nicht in seinem Lazarett! Denn seine Stimme hörte ich merkwürdigerweise nicht.
    Da fragte der Priester: »Glauben Sie denn, ich fürchte mich?«
    »Jesus!« sagte Leo mit gedämpfter Stimme und stieß ihn nochmals zurück. »Jetzt will er auch noch die Märtyrerkrone!«
    Mir fiel auf, daß sich Pater Luis plötzlich verändert hatte: Er sah verklärt aus, sein Gesicht war nicht mehr dasselbe. Er hatte inzwischen Zeit gehabt, Sünde, Schuld und Reue zu sichten und zu wägen. Sein Gewissen war rein. Er war ein kämpferischer Priester, und er hatte den besten Verbündeten: Gott.
    Er richtete seinen starren Blick auf die Mädchen, die schweigend auf dem Balkon standen: drei Julien, die ihren Text vergessen hatten. »Ich kann nicht anders, Gott helfe mir«, sagte er.
    Luther! Irgendwie schienen die Worte in seinem Mund fehl am Platz.
    »Hast du’s gehört?« fragte mich Leo. »Alles ist in Ordnung. Eben hat er von Gott höchstpersönlich eine Botschaft erhalten.«
    »Hör auf, Leo!«
    »Er ist voll der Wunder. Er kriegt’s via Privatdraht direkt vom Himmel.«
    Pater Luis ging in die Veranda, stellte sich dort auf und blickte herablassend auf uns, wie ein Wachtposten.
    Leo sah ihn an, spuckte aus, sah hinauf auf die Mädchen. »Die königliche Leibwache ist aufmarschiert.«
    »Mußt du dauernd darüber reden?«
    »Mach mich nicht streitbar wie den Priester!«
    »Und du – mach mich nicht nervös!«
    Vom Lazarett herüber hörte man das Schlurfen von Füßen. Dann einen Schrei, wütend, empört. Es war Harry. Dann atemloses Keuchen, hastende Schritte. Dann Stille. Ich wußte noch nicht, was geschehen war.
    Im Dunkel bewegte sich etwas, kam näher, kam auf uns zu, und ich bemerkte, daß ein Auge glänzte und das andere traurig dreinsah.
    »Wo hast du dich ’rumgetrieben, Charley?« fragte ich spöttisch. »Du hättest doch aufpassen sollen.«
    Er sagte nichts.
    »Was hast du?«
    »Sie haben sich drüben die Leiche geholt.«
    »Barney? Warum?«
    »Er gehört ihnen, sagen sie.«
    Mir lief es kalt über die Haut. »Was nützt ihnen die Leiche?« Charley verzog sein Gesicht.
    »War es Harry, der schrie?« fragte ich.
    »Was hätte er schon tun können?«
    »Und Luke?« Das nämlich beunruhigte mich. »Der war doch dort, oder nicht?«
    »Senhor Luke sagt, er ist im Ruhestand.«
    »Ach so, im Ruhestand?« sagte ich. Es muß sehr töricht geklungen haben.
    Charley blickte vorsichtig über die Schulter zurück, als könnte Harry ihn hören, ihn beschuldigen, ihn schlagen. »Es ist nicht nur das«, sagte er mit kraftloser Stimme.
    »Was gibt’s noch?«
    Es war, als müßte ich einer Mumie Blut auspressen.
    »Die Mädchen … die darf Senhor Harry nicht fortbringen. Das lassen sie nicht zu, sagen sie.«
    »Sagen und tun ist zweierlei!« schrie ich. Ich war wütend.
    »Daran hindern können sie ihn schon.«
    »Die Mädchen haben Barney nichts getan. Können sie dafür, daß sie da

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