Maenner wie Tiger
brauche einen Drink, sagte ich mir.
Ich ging in die Lazarettapotheke. Dort war es wenigstens ruhig. Nur Tomasino hörte ich ein Gebet herunterleiern. Lukes Pharmazeut, der Belgier Toussaint, wusch Gläser und Eprouvetten. Immer wieder zog es seinen Bück zur Tür des Krankenzimmers. »Ich könnte doch gehen, wenn du nichts dagegen hast?« fragte er mich. Wie blaß er aussah!
»Geh nur!«
Und wie eilig er sich davonmachte! Die Lazarettapotheke roch ätzend. Ich setzte mich aufs Ordinationsbett, ich wartete.
Drinnen schienen sie zu streiten. Verstehen konnte ich es nicht. Meine Hände klebten vor Schweiß. Die Stimme des Priesters wurde heftiger, jetzt klang sie bis heraus. »Was ist das?« Ich konnte jedes Wort verstehen.
Tomasino sagte deutlich: »Heilige Maria voll der Gnade, der Herr ist mit dir …«
’ »Antworte!«
Tomasino aber keuchte noch geschwinder, als hätte er es eilig. »Gebenedeit bist du unter den Weibern und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes …« Merkwürdig, es paßte so gar nicht zu ihm, was er sagte.
»Was ist das?« fragte der Priester. Es hörte sich an wie ein Befehl.
Da hielt Tomasino inne, wie abgeschnitten. Mir sträubte sich das Haar. Ein Geräusch drang heraus, von dem man immer liest, das man aber selten hört. Tomasinos Zunge rasselte. Häßlich ist der Laut, mit dem der Tod sich einstellt … Die Blume Tomasino hatte zu blühen aufgehört. »Bitte für uns arme Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Absterbens. Amen«, vollendete ich für ihn.
Ich hörte den Priester flüstern, hörte ihn beten, hörte ihn aufstehen. Da ging ich rasch unters Vordach hinaus.
Pater Luis trat aus dem Krankenzimmer, sein Gesicht glühte. »Was ist das?« Er zeigte mit dem Finger nach hinten.
Jetzt also fragte er mich und nicht mehr Tomasino. Er hatte unter dem Bett etwas hervorgezogen: einen irdenen Topf mit seltsam verschlungenen Zweigen, von denen bekritzelte Papierschnitzel herabhingen.
Eine noch weiche kleine Lehmfigur mit vorstehendem Nabel, ein Kind hätte sie geformt haben können, klebte am Rand des Topfes.
»Ach das?« Eigentlich hätte er es wissen müssen. Unter dem Leintuch konnte ich Tomasinos schnabelartige Nase sehen. Ein zweitesmal sah ich nicht mehr hin.
»Also?«
»Das ist doch jetzt ganz gleichgültig, nicht?«
»Gleichgültig?«
»Ja. Denn er ist tot.«
»Was ist das eigentlich?« fragte Pater Luis mit einer Grimasse.
»Ein Fetisch. Eine indianische Gottheit.« Keine wohlriechende. Es stank aus dem Topf bis zu mir her. »Tomasino setzte auf alle Pferde, er ging auf Nummer Sicher.«
»Er ist verdammt!« schrie Pater Luis.
»Warum?«
»Verdammt ist er, bevor er noch Gottes Gnade suchen kann.« Aus irgendeinem Grund hörte er mir nicht mehr zu.
»Das können doch Sie nicht wissen, Sie sind nicht Gott!«
Mich hörte er nicht. Aber was hörte er eigentlich? Denn er stand und starrte über den Platz. Dort drüben im Dunkel krakeelten sie, lachten sie, nur einige, nicht viele. Wie ungezogene kleine Schuljungen beim Spiel.
Pater Luis packte den Topf und warf ihn ins Gras. Nim, dachte ich, was liegt schon daran? Entweder hilft’s Tomasino hinüber oder nicht. Und sonst? Nie wird man’s erfahren.
Im Licht des Scheinwerfers dort draußen konnte ich Miguel und Harry sehen, wie sie von der Ladefläche des Lastwagens aus am Flugzeug arbeiteten. Sie hatten die Motorhaube abgenommen. Der Regen hat sie zwar behindert, aber vielleicht gelingt’s ihnen doch noch, dachte ich.
Da schrie der Priester plötzlich wie wild auf. Er sauste weg wie der Wind, sein Rosenkranz wehte hinter ihm her. Er rannte schnell, und während er rannte, leuchteten in den Fenstern des Rockefeller-Hotels Lichter auf. Nervös trottete ich ihm nach, wie eine Maschine. Ich wußte nicht, was er gesehen hatte, das ich nicht gesehen hatte. Ich kam näher und bemerkte, daß diese Narren eine Leiter an den Balkon gelehnt hatten. Zwei waren schon oben, einer beim Balkongitter, einer noch auf halber Höhe, das Akkordeon gellte dazu. Der Mann, der auf den oberen Sprossen stand, schwenkte Blumen, ganz so, wie es früher einmal Sitte war, wenn einer ein Mädchen verehrte.
Das ist aber kein Spaß mehr, sagte ich mir. Jetzt bringen sie zu allem Überfluß den Mädchen noch ein Ständchen. Mein Gott, keuchte ich, warum wissen sie nicht, wann sie aufhören sollen? Ein Spaß ist genug. Mit ihren Späßen machen sie mich ganz fertig!
Ich glaubte erraten zu können, wer dort oben schon halb auf dem
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