Maenner wie Tiger
glühten noch, aber das Gras war schon dunkel. Das spinnenartige Gestänge des Bohrturms fing den Widerschein ein, in der Veranda leuchtete es trüb. Umgestürzt der Jeep, auf den Stufen der Sarg, dort die Leiche, wie ein nachlässig, doch an die richtige Adresse geliefertes Paket.
Ich dachte: Bald wird es vorbei sein. Das Dunkel ist’s, das sie brauchen, damit Anonymität ihre Schuld verberge. Shakespeares fauler Schoß der Nacht. Hier ist er!
Ich wollte, daß Luke etwas sagte, irgend etwas. Zehn Minuten schon saß er und sagte kein Wort, schaukelte nur hin, her, schaukelte heftig, als müßte er sich am Schaukelstuhl rächen.
»Wirst du jetzt endlich aufhören?« schrie ich.
»Halt’s Maul, du …«
»Brüll mich nicht an! Es ist für mich genauso schlecht wie für dich.«
Nein, für mich schlechter. Denn ein Kribbeln verkrampfte mir den Arm. Ich. konnte ihn kaum bewegen, fürchtete mich, ihn zu bewegen. In meiner Brust drinnen wurde die Hand, die mir nach dem Herzen griff, größer und größer. Irgend etwas Schlimmes ist da passiert, dachte ich.
»Was wird jetzt geschehen?«
»Bleib lang genug sitzen, und du wirst’s sehen«, sagte Luke.
»Und gar nichts soll ich tun?«
»Du hast schon etwas getan: hast deine heile Haut bewahrt. Ist das nichts?«
»Luke, du weißt, was ich meine!«
»Ich weiß, was du meinst.« Er sah zum Rockefeller-Hotel hinüber, sein Gesicht verhärtete sich. »Sie sind drüben, sind gefangen. Sie wußten, was sie taten, nun müssen sie damit fertig werden. Laß sie!«
»Und wir sollen uns nicht als Freunde erklären?«
»Willst du das? Dann tu’s doch!« sagte er spöttisch. »Erklär dich!«
»Luke! Ich bin alt, bin müde.« Und bekam keine Luft. Das Herz klopfte mir im Hals.
»Dann bleib sitzen!«
Und ich saß. Ich saß, indes Harry und Leo aus der Veranda traten und sich mühten, den Jeep wieder auf die Räder zu stellen. Und ich saß und sah Pater Luis herauskommen und ihnen helfen. Und ich saß, während sie den Jeep hochstemmten und ihn aufstellten. Danach verging einige Zeit. Im Dunkel der Veranda war schwer zu erkennen, was sie hinter dem Jeep taten. Ich vermutete, sie bereiteten das Begräbnis vor. Ich konnte den Priester sehen, wie er sich über Barney neigte. Es ist immer aufregend, wenn eine Leiche eingesegnet wird. Ich hatte die scheußliche Vorahnung, daß auch ich bald so daliegen könnte – zwar erwartete ich mir kein so langes Gebet, wie es Barney zu bekommen schien. Nicht, daß mir etwas daran läge … Der Deckel fällt zu, aus ist’s.
Luke saß in seinem Schaukelstuhl starr vorgeneigt, glotzte hinüber und vergaß zu schaukeln, indes sie drüben den Sarg auf den Jeep hoben. Miguel und Charley halfen dabei. Die Mädchen blieben unsichtbar.
Dann stieg einer ein und fuhr los, die anderen gingen hinterher. Langsam bewegte sich der Leichenzug. Am Waldrand hielt er an, und Harry holte die Schaufel vom Jeep. Er und Leo begannen abwechselnd zu graben. Nachdem auch das erledigt worden war, machten sie sich bereit, Barney in die Erde zu versenken.
Das Rockefeller-Hotel wirkte verloren, wie gepfändet. »Wie konnten sie nur!« sagte ich besorgt und leise zu Luke – grundlos, denn keiner konnte uns hören. »Sie hätten die Mädchen nicht zurücklassen dürfen, nicht einmal eine Minute!« Er aber sah mich nur schräg an.
Ich hielt ihn für betrunken.
»Das ist unvorsichtig!« fuhr ich fort. »Nein, das hätten sie nicht tun dürfen!«
Wieder sah mich Luke so seltsam an.
»Luke!« Er beunruhigte mich. »Das nenne ich herausfordern! Die Mädchen allein lassen, während sie Barney begraben!« Nun sah er mich ein drittesmal an. Ich glaubte ihn zu verstehen.
So also war’s gemeint. Die Vernunft hatte gesiegt, das Gewissen war beruhigt, die Geste getan: Sie gaben die Mädchen auf, so wie man in der Schlacht eine schwer zu verteidigende Stellung aufgibt. Obwohl ich es schon die ganze Zeit für unvermeidlich gehalten hatte, steckte mir der Gedanke an sie wie ein Knochen im Schlund.
Entsetzt sagte ich: »Die Mädchen sind unschuldig, sind hilflos …«
Luke aber gab nur einen unwilligen Laut von sich, den ich absichtlich überhörte. »Wie konnten sie so etwas tun?« fuhr ich fort.
Da aber war mir’s, als hätte Luke etwas gesagt, leise, undeutlich: »Sie sind im Jeep.«
Jetzt war ich sicher: Er war betrunken!
»Was sagst du da?« wollte ich wissen.
»Ich vermute, sie sind im Jeep.«
»Nein, das glaube ich nicht«, flüsterte ich. Aber natürlich
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