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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Catto
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mit feuchten Trinkeraugen an und kicherte mir ins Gesicht. »Ja.«
    »Was ist denn los mit dir?«
    »Ich bin besoffen.«
    »Ja. Und verrückt.«
    »Vielleicht auch ein bißchen verrückt.«
    »Was also ist so lustig?«
    Er musterte mich und kicherte wieder. »Das möchtest du wissen, was?«
    Ich wurde stutzig. Sonst nämlich machte ihm das Trinken nichts. Zugegeben, er war jetzt widerlich, mit seinen blutunterlaufenen, triefenden Augen. Aber vertragen konnte er eine Menge, das wußte ich. So sternhagelbesoffen war er also nicht. Sicher hatte er etwas gesehen. Ich mußte geduldig sein.
    »Was also hast du dort oben gesehen?«
    »Du meinst: was ich nickt gesehen habe?«
    »Auch gut. Was also hast du nicht gesehen?«
    »Gesichter.«
    Mit Betrunkenen ist es nun einmal so: ihre mit Whisky geölten Zungen bringen einen zur Verzweiflung.
    »Was redest du da? Welche Gesichter?«
    Er sah mich listig an. »Ich meine die Gesichter, die ich nicht gesehen habe«, sagte er.
    Ich gab es auf. Er ärgerte mich zu sehr. »Wozu soll ich mit dir reden? Du bist betrunken, du bist mir zuwider.«
    »Ich bin mir selbst zuwider«, sagte er, hob die Flasche auf, prüfte, ob noch etwas drinnen sei, und begann dann torkelnd loszumarschieren. Er kam nicht weit. Einer hielt ihn an, ich hörte eine mir bekannte Stimme. Es war Jan.
    »Heute ist’s nicht gesund, spazierenzugehen. Das Gras ist naß«, sagte Jan.
    »Ich bringe meinen Freunden Whisky hinauf«, erklärte Luke und schwenkte die Flasche.
    Jan sah sie kritisch an. »Sie ist leer.«
    »Der beste Whisky für sie – unter diesen Umständen. Sie vertragen nämlich die Höhe nicht gut.«
    »Du bist betrunken.«
    »Nicht genug betrunken.«
    Jan schwieg. Dann fragte er: »Was willst du ihnen sagen?«
    »Guten Abend, Freunde, und dann – lebt wohl, Freunde! Mehr nicht.«
    »Es ist ein Abschied, Luke.«
    »Sag nicht Luke zu mir, du bist nicht mein Freund!«
    Wieder schwieg Jan. Er blickte sich um, beschirmte die Augen mit der Hand vor dem grellen Scheinwerferlicht und sagte mit harter Stimme: »Ich weiß nicht, ob sie dich hinauflassen. Ich weiß nicht, ob ich dir helfen kann. Ich habe keine Macht über sie.«
    »Ich will aber hinauf!«
    »Ich sage dir doch …«
    »Das ist mir gleichgültig. Ich will hinauf. Sag ihnen, ich komme wieder herunter!«
    »Ich wußte nicht, daß es so weit kommen würde. Es hat sie so aufgebracht.«
    »Wirst du es ihnen sagen oder nicht?«
    »Hör mal«, begann Jan. Seine Stimme klang belegt. Ich mußte mich vorneigen und meinen Atem anhalten, um ihn zu verstehen. »Ich möchte nicht, daß Leo etwas geschieht. Sag ihm das, ja? Wir gehören zusammen, schon seit so langer Zeit. Wenn er herunterkommt, dann ist alles in Ordnung – was ihn betrifft. Er ist mein Kamerad. Sag ihm, er soll herunterkommen!« Seine Stimme wurde härter, als er fortfuhr: »An den andern liegt mir nichts, gar nichts. Die soll’s erwischen, die soll der Teufel holen. Von mir aus soll’s auch Harry erwischen.«
    Leise tropften seine Worte, gequält, kraftlos, doch überzeugt »Sie werden ihn umbringen. Auch den Priester. Und die Mädchen – die soll der Teufel holen! Ihretwegen ist es geschehen. Für nichts und wieder nichts. Es soll auch sie erwischen. Nur Leo, dem soll nichts geschehen.«
    »Sehr freundlich von dir!« sagte Luke. »Ich werde deine kameradschaftlichen Grüße bestellen.«
    »Es tut mir leid, daß es so kommen mußte. Auch Harrys wegen.«
    »Ich werd’s ihm ausrichten.«
    »Hätte er nur gehört! Verstehen kann ich ihn nicht … Aber komm jetzt!« sagte Jan und begann zu gehen, über das Gras hin, zu den Männern hin, und Luke ging hinterdrein, mit hocherhobener Flasche, die im Licht der Scheinwerfer wie der heilige Gral erstrahlte.
    Am Fuße des Bohrturms drängten sich die Männer. Das Licht der Scheinwerfer strich über sie, als sie verhandelten. Schließlich einigten sie sich. Denn ich sah, wie Luke hinaufzuklettern begann. Drehung um Drehung nahm er auf der Leiter, stolperte einmal, umklammerte die Flasche, als enthielte sie etwas Kostbares, das er nicht gefährden dürfte. Wie betrunken ist er doch! sagte ich mir. Höher und höher stieg er, vorbei an der unteren Plattform, hielt inne, um zu schnaufen, und geriet dann in die unerträgliche Grelle beider Scheinwerfer, die auf den obersten Teil des Bohrturms zielten. Ich sah, wie er sich mit dem Ellbogen die Augen schützte. Er rief hinauf zu ihnen, und sie ließen ihn kommen.
    Nun war er oben.
    Ich sah zu, und auch die

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