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Maenner wie Tiger

Maenner wie Tiger

Titel: Maenner wie Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Catto
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Todessehnsucht in sich. Alle, nur ich nicht. Ich habe Lebenssehnsucht.« Und ohne auf Leo zu achten, begann er wie verrückt mit seinem Stuhl zu schaukeln.
    Wir sahen Miguel übers Gras gehen und sahen, wie zwei oder drei von denen drüben sich erhoben, doch schienen sie keineswegs alarmiert, sie nahmen ihn zu wenig ernst. Jan verstellte ihm den Weg, gab ihm durch eine eindringliche Geste zu verstehen, umzudrehen, doch Miguel ging weiter, unbeirrt weiter, als sähe und hörte er ihn nicht, denn Jan sagte ihm etwas und fing ihn mit seinem mächtigen Körper ab, wobei er seine Faust sacht auf Miguels Brust legte, was diesen endlich innehalten ließ. Ich sah, daß sich Harry erhob, und bemerkte, daß auch ich mich erhoben hatte. Das Publikum schien beunruhigt, als sähe es eine üble Szene, die nur bös ausgehen kann: mit Schmach und Spott oder mit Gewalttat und Schmerzen.
    Miguel sagte kein Wort, langsam wandte er sich um, und ich dachte: Gottlob, ein heroischer Rückzug! Da wich er plötzlich seitlich aus und begann zu laufen, Jan steuerte auf ihn los, doch Miguel war schon an ihm vorbei, rasch und behend, doch nicht rasch und behend genug für die Männer, die im Gras hockten. Mit einem Satz waren sie alle auf den Beinen, schwenkten ein und bildeten zwei lange Reihen mit einem Durchlaß dazwischen. So erwarteten sie ihn. Miguel versuchte einmal nach rechts, einmal nach links zu entkommen, wie einen Fußball stieß es ihn hin und her, doch die beiden Mauern aus Leibern rückten näher, schlossen ihn ein, bereit, ihn zu empfangen. Der Stierkopf senkte sich, ungehörnt und unbewaffnet. Miguel rannte im Zickzack, wollte sich durchwinden und prallte gegen Mauern. Wer als erster zuschlug weiß ich nicht. Miguel schrie auf und taumelte. Und sie stießen ihn weiter, und sie ließen ihre Gürtel durch die Luft sausen.
    Ich sah Miguel weiterschwanken, sein Gesicht, seinen Rücken mit Händen schützen, sah ihn Spießruten laufen. Sie kannten kein Erbarmen, sie hörten ihn stöhnen und schreien, hörten ihre Gürtelschnallen dumpf aufprallen. Leo entfuhr ein leiser Laut, er erhob sich. Luke hörte auf, sich zu schaukeln. Ich sah Harry aus der Veranda treten. Aber Miguel war ans Ende der Gasse gelangt, das Gesicht blutverschmiert, die Hände vor den Augen, langsamer jetzt und ziellos. Einige brachen aus der Reihe und verfolgten den Taumelnden, der nun kein hübscher Junge mehr war, der blind war. Da erreichte ihn Harry. Die Männer hielten an. Jetzt geht der Kampf los, dachte ich. Sie werden sich auf Harry stürzen. Aber sie taten es nicht. Dafür ist’s noch nicht dunkel genug, sagte ich mir. Der nicht wiedergutzumachende Akt der Meuterei bedarf des Dunkels.
    Auch der Priester war aus der Veranda getreten, und beide, Harry und Pater Luis, stützten Miguel und halfen ihm weiter. Ich konnte, wollte vielleicht hören, masochistisch, wie Miguel schluchzte.
    Ich blickte auf Charley: Sein Unterkiefer hing ihm schlaff herunter, sein Gesicht hatte die Farbe von Pergament, sein Blick war irr. Und ich sagte mir: Auch der wird es tun. Todessehnsucht ist es.
    Charley stand auf, grinste einfältig. »Jetzt ich!« sagte er. Es klang wie ein Lebewohl.
    »Warte!« rief Leo erregt.
    »Warten ist schwerer als Gehen.«
    »Ich geh’ mit dir!«
    Ungläubig starrte Luke auf Leo und begann wieder wütend zu schaukeln.
    Leo ging in seine Baracke. Er kam wieder, und ich bemerkte – halb unter seinem Ärmel versteckt – etwas Ähnliches wie einen Eispfriem. Ich wußte, es war eines von jenen kurzen, modernen Bajonetten. Sicher ein Andenken aus dem Wüstenkrieg. »Willst du noch immer gehen?« fragte er Charley.
    »Ich muß gehen, Senhor Leo«, gab Charley matt zurück.
    »Du gehst vor mir. Und wenn du gehst, bleibst du nicht mehr stehen. Du gehst und gehst und gehst. Ohne Debatte. Du gehst.«
    »Zum Teufel«, ergänzte Luke. »Dorthin geht ihr beide.«
    »Wir halten dir einen Platz in der Hölle warm«, sagte Leo und ging mit Charley hinaus in die Dämmerung.
    Jan kam ihnen nicht entgegen. Er wartete mit düsterem Blick. Leo trieb Charley vor sich hin, näher und näher kamen sie der engen Gasse aus Männern, die müßig herumstanden, als wollten sie nur die Beine ein wenig ausschütteln. Ich hörte alles, so still war es, die Männer still, die Bäume still, der Schaukelstuhl still.
    Jan sagte: »Leo! Mach’s mir nicht schwer! Geh zurück, hör auf mich, bitte!«
    »Jan, alter Freund, das Herz blutet mir! Ich weiß, ich darf’s dir nicht

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