Maennerfallen - Ein Mira-Valensky-Krimi
den Ort aufgeheizt, dazu das ständige Bergaufgehen … Ich schnaufe, wische mir mit einem Papiertaschentuch den Schweiß aus der Stirn. Egal. Ich mag es, wenn es warm ist. Vor einer Tür mit Perlenvorhang stehen einige Menschen unter einem Baum und rauchen. Klar, in Italien gibt es inzwischen ein viel strikteres Rauchverbot als in Österreich. Wäre mir vor einigen Jahren noch unmöglich erschienen.
Eine schlanke Frau mit grauen, kurz geschnittenen Haaren und lebhaften braunen Augen kommt auf mich zu. Weißes, weites Hemd, enge Hosen. Ich konzentriere mich. Ich will sie verstehen. Höchste Zeit, mehr Italienisch zu lernen als das, was man zum Einkaufen und Essenbestellen braucht. Aber sie spricht mich auf Englisch an. Irgendwie hat sie mich als Ausländerin enttarnt. Fast bin ich ein wenig enttäuscht, andererseits: In den nächsten Sekunden, spätestens dann, wenn ich antworte, wäre das ohnehin passiert.
Ich werde hinter den Perlenvorhang ins kühle Büro gebeten und bekomme alle Infos, die ich brauche: dass die einzelnen Veranstaltungen auf den verschiedenen Plätzen der Stadt stattfinden, dass es vom Hotel einen Shuttlebus nach Gavoi gibt, der alle Viertelstunden fährt, wohin ich mich wenden kann, wenn ich mit einem der Autoren ein Interview machen möchte, wo es Pressebilder gibt. Alles hervorragend organisiert. Zwei Frauen sitzen hinter Computerbildschirmen, ein jüngerer Mann telefoniert, kommt dann auf meine Gesprächspartnerin zu, flüstert ihr etwas ins Ohr. Sie scheint so etwas wie die Organisationsleiterin zu sein, das hab ich mir schon gedacht. Unaufgeregte Autorität. Von Thomas Pauer habe ich bisher nichts gesagt, ich weiß nicht, wie sie auf ihn reagieren. Ich habe keine Lust, mir ihre Sympathie zu verscherzen. – Ich könnte einfach eine Reportage für unsere Kulturseiten schreiben und dann ein paar Tage Urlaub machen. Schön wär’s. Ist aber einfach nicht drin.
Die Chefin winkt mir zu, verschwindet zur Tür hinaus, kommt mit einer jungen, sehr attraktiven Italienerin wieder, stellt sie mir als Angelina vor. Offenbar wird hier das meiste von Frauen dominiert. Oder zumindest die Festivalorganisation. Was ja eigentlich nicht so überraschend ist. Da geht’s um jede Menge Arbeit. Und sie ist wahrscheinlich nicht einmal sehr gut bezahlt, sondern hat mehr mit der Leidenschaft für die Sache zu tun.
Angelina spricht mich mit einem beinahe unmerklichen Akzent auf Deutsch an, die Festivalleiterin winkt wieder und ist weg.
„Kann ich irgendetwas für Sie tun?“
Ich überlege, sage dann: „Die Fotos in den Gassen sind großartig. So sind die Autoren immer sichtbar.“
„Ja, so etwas Ähnliches haben wir uns dabei gedacht. Es sind die, die im Vorjahr hier gelesen haben. Daniela fotografiert sie an Orten, die ihr für die Autorinnen und für Gavoi typisch vorkommen. Die Ausstellung ist inzwischen vom Festival nicht mehr wegzudenken.“
„Nächstes Jahr wird dann auch Thomas Pauer hier hängen?“
Sie sieht mich an. „Wahrscheinlich. Oder auch nicht. An sich werden alle Autoren porträtiert. Ich treffe diese Entscheidung nicht.“
„Er könnte verurteilt werden.“
„Ja. Dabei finde ich, aber das ist jetzt privat und nicht die Meinung des Büros, sein Buch schon schlimm genug.“
Ich nicke. „Wer hat ihn eigentlich eingeladen?“
Angelina lächelt. „Das ist, wie sagt man so schön auf Deutsch, dumm gelaufen. Sein Verlag hat angeboten, alle Kosten zu übernehmen. Unser Budget war nie üppig, und mit der Krise ist es noch geschrumpft. Da freut man sich über solche Kooperationen. Außerdem gab es bloß Vorinformationen über das Buch. Man hat sich gedacht, es wäre doch interessant, auf dem Festival über Geschlechterrollen zu diskutieren. Den Hype rund ums Buch hat keiner geahnt. Es wird auch in Italien wie verrückt gekauft, es ist Nummer eins auf den meisten Bestsellerlisten.“
„Und nach dem Vergewaltigungsversuch wollte ihn niemand ausladen?“
„Na klar! Aber dann hat man sich gedacht, das bringt noch mehr Aufregung. Besser, man diskutiert mit ihm und er ist so schnell wie möglich wieder weg. Falls er zu dieser Zeit nicht ohnehin in Untersuchungshaft sitzt … Das Dumme ist: Es gibt eine ganze Menge Medien, die sind nur wegen ihm gekommen.“
„Österreichische? Deutsche?“
„Auch. Zum ersten Mal, seit wir dieses Festival machen, haben sich für morgen so gut wie alle großen Fernsehstationen Italiens angekündigt. Sieht so aus, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der
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