Maennerfallen - Ein Mira-Valensky-Krimi
Ob ich auch einen Mirto möchte, fragt mich die Chefin des Goethe-Instituts freundlich.
Ich nicke und erfahre, dass es sich dabei um den berühmtesten Likör der Gegend handelt, gewonnen aus den Beeren der Myrte. Ich habe es nicht so mit Likör. Ich koste vorsichtig. Süß, aber auch aromatisch: irgendwo zwischen Wacholder und Heidelbeere.
„Der große Mirto-Abend ist morgen“, erklärt sie. „Da holt der Festivalpräsident Gäste auf die Bühne, die müssen irgendeine Schande gestehen, und dann kriegen sie ein Glas Mirto. Und zum Schluss trinken alle und es ist ein Riesenspaß.“
Ich lache. Ich habe nach Wien gemailt, dass das mit dem Interview klappt. Nicht, dass ich es schon habe. Ist ja nicht ganz gelogen. Vielleicht. Ich werde übermorgen fliegen, frühestens.
Die Frau vom Goethe-Institut gähnt und entschuldigt sich, es sei ein langer Tag gewesen. Der jüngere Autor und die Journalistin stehen mit ihr auf. Eine pummelige Kellnerin kommt und bringt mir einen Halbliterkrug Weißwein und einige Gläser.
„Vermentino“, sagt sie und stellt ihn vor mich hin.
„Eigentlich hab ich nur ein Glas bestellt“, murmle ich.
Frank Grohem lacht. „Die bringen da immer zumindest einen halben Liter. Ich glaube, weniger gibt es nicht, der Wein ist extrem billig, irgendwelche drei, vier Euro.“
„Will noch jemand mittrinken?“, frage ich. Aber die drei verabschieden sich endgültig.
Grohem erzählt von seiner letzten Lesereise durch Korea und den Süden Chinas. Bücher sollte man schreiben, dann kommt man herum.
„Wie haben Sie Pauer heute empfunden?“, fragt er dann.
„Ich kenne seine Sprüche. Und, wie die anderen schon festgestellt haben: Er hat sich ziemlich zurückgehalten.“
„Außer, als ihn sein Gesprächspartner nach dem Abend im Hotel gefragt hat. Da ist er ausgerastet. Scheint etwas labil zu sein, der Gute“, meint Grohem und nimmt noch einen Schluck Vermentino. „Ist mir deutlich lieber als das Likörzeug.“
„Er fühlt sich absurderweise fast als Opfer“, ergänze ich. „Wobei … ich weiß nicht, ob Sie die Verlagschefin von ‚Alpha‘ kennen: Sie dürfte ziemlich an seinem Image beteiligt sein.“
„Farah Seifried? Die kennt bei uns jeder“, antwortet der Autor. „Das ist eine der wirklich Harten. Die könnte Männer schon auf die Idee bringen, dass es höchste Zeit ist, sich auf die Beine zu stellen.“
„Dabei war sie es, die den Bestseller herausgebracht hat.“
„Ja, die fürchtet sich auch vor nichts. – Außer vor dem Misserfolg. Und was ein Autor denkt oder fühlt, das ist ihr übrigens restlos egal.“
„Um Pauer scheint sie sich sehr zu kümmern“, werfe ich ein.
„Weil sie ihn unter Kontrolle haben möchte. Ich hatte mit der Dame ein paarmal zu tun. Alpha Books wollte einen meiner Romane über die Zwischenkriegszeit veröffentlichen. Er war ihr dann doch zu intellektuell. Die offizielle Version war natürlich, er passe nicht genau genug ins Verlagsprogramm. Und als ich ihr auf den Kopf zugesagt habe, sich nur um reißerische Bestseller zu kümmern, hat sie bloß gelacht.“
„Sie schreiben sehr erfolgreiche Bücher“, schmiere ich meinem Gesprächspartner Honig ums Maul. Hat er ja selbst erzählt. Ich möchte, dass er weiterspricht.
„Natürlich, meinen ersten Bestseller habe ich bereits knapp nach Beendigung meines Studiums in den Siebzigerjahren geschafft. Es ging damals um die Wirtschaftswundergeneration und …“
„Und trotzdem hat Seifried Ihr Buch nicht genommen“, führe ich ihn wieder zurück.
„Seifried: Man nennt sie in der Branche die ‚kalte Königin‘. Sie stammt aus einer gutbürgerlichen Bonner Familie, die haben den Schah und seine junge Frau sehr verehrt und daher ihr Kind Farah getauft. Dabei war damals schon klar, was der Schah in Persien alles angestellt hat. Nicht so viel wie die Mullahs nachher, aber immerhin. Das politische Bewusstsein in Deutschland …“
„Farah passt also zu ihr“, werfe ich ein, bevor er allzu weit abschweifen kann.
„Und ob! Wissen Sie, was sie mir gesagt hat? Sie könne nicht nur internationale Bestseller, sondern auch Bestsellerautoren machen. Wenn Sie es wolle. – Und wenn der Autor wolle, habe ich hinzugefügt, das weiß ich noch. Sie hat richtiggehend geprahlt: Man brauche bloß eine Figur, die ins Bild passe, dann könne man sie verkaufen. Und dann brauche man ein Thema, auf das alle heiß seien. Wer es schreibe, sei zweitrangig. Und dann brauche man drei, vier wichtige Journalisten,
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