Maennerfallen - Ein Mira-Valensky-Krimi
sie. „Ist das nicht eine bodenlose Sauerei, dass der Typ da auftreten kann? Haben Sie keine Fotografin mit? Wenn es wahr ist, dann hält sein Auto hier. Er wird natürlich vorgefahren, der Star. Das werden gute Bilder, wenn wir zwei aufeinandertreffen!“
„Ich hab keine Fotografin mit.“
„Einen Fotoapparat aber.“
Ich ziehe meinen Fotoapparat heraus und schieße einige Bilder, gehe in die Hocke. Mist. Ich habe ganz auf mein zerschrammtes Knie vergessen. Ich stehe vorsichtig wieder auf.
„Ist Ihnen schlecht?“ Das kommt jetzt richtig besorgt.
„Nein, nur mein Knie. Ich hab es mir heute in der Früh in der Nähe des Hotels aufgeschlagen. Auf seinem Joggingpfad übrigens. Weil ich so dumm war, über einen Wasserlauf springen zu wollen. Ich hab Glück gehabt. Mir ist so gut wie nichts passiert. Dort könnte es Stunden dauern, bis einen jemand findet.“
Sie sieht mich spöttisch an: „Und er hat Sie dann gerettet?“
Was bin ich auch so idiotisch, davon zu erzählen. „Ich kann mich selbst retten.“
Zum Glück wechselt sie das Thema. „Sie sollten Fotos machen, wenn er ankommt. Das gibt mehr her.“
„Was bezwecken Sie mit dieser Aktion eigentlich?“, frage ich und deute auf die Transparente.
Maggy Körmer sieht mich fassungslos an. „Na was wohl? Ich will darauf aufmerksam machen, was das für ein Schwein ist. Ich will nicht mit schuld sein am endgültigen Sieg der Maskulisten. Das haben sich die Frauen nicht verdient.“
„Auch seine Fans nicht?“
„Selbst die nicht. Sie wissen ja nicht, wie sie instrumentalisiert werden.“
„Sie werden sie befreien“, rutscht es mir heraus.
„Sagen Sie das nicht so zynisch. – Oder hat er Sie auch schon eingekauft? Hat Ihnen Alpha Books die Reise gezahlt?“
Ich funkle sie an. „Selbstverständlich, was glauben Sie?“
„Tut mir leid. Man weiß heutzutage gar nicht mehr …“
„Wer sind die Frauen, die hier mit Ihnen protestieren? Alle gemeinsam angereist?“
„Wir haben auch international Freundinnen und Netzwerke.“
Die meisten sehen tatsächlich wie Italienerinnen aus. Einige in weiten T-Shirts mit schlabbrigen Jeans, andere nach der neuesten Mode gekleidet. Bunte Mischung. Es gibt eben viele Gründe und Lebensgeschichten, die zum Protest führen. Besonders jung ist keine mehr von ihnen.
Ich höre, wie sich jemand auf der Bühne räuspert. Dann wird etwas deklamiert. Ich habe inzwischen gelernt, dass es als Vorprogramm immer ein Gedicht gibt. Ich hätte es lieber in Ruhe gehört, als hier mit Maggy Körmer herumzustehen. Ich verstehe zwar nur einzelne Wörter, aber allein der Klang ist betörend. Und irgendwie ist das Pathos, mit dem es deklamiert wird, hier überhaupt nicht peinlich.
„Ich muss rein“, sage ich.
„Sie hören sich das wirklich an?“, antwortet Maggy Körmer.
„Ich höre mir das wirklich an. Und ich werde berichten. Und zwar, was ich möchte. Ganz selbstbestimmt.“ Ich lasse sie stehen. Sie hat mit so vielem recht. Und trotzdem …
Inzwischen ist der Platz gedrängt voll. Auf den Seiten stehen die Leute, fünfhundert werden schon gekommen sein. Heute Abend ist es drückend heiß. Viele haben Fächer mit und versuchen so, zu etwas kühlerer oder zumindest bewegter Luft zu kommen. Es scheint sich weniger um Fans von Thomas Pauer als um typisches Festivalpublikum zu handeln. Allerdings: An der Nasenspitze kann man auch niemandem ansehen, was er für eine Meinung zu „Sei ein MANN!“ und seinem Autor hat. Ich arbeite mich nach vorne durch. Den akkreditierten Medienleuten hat man in den ersten Reihen Plätze reserviert. Nicht alle sind besetzt. Auf beiden Seiten der Bühne stehen Plattformen für die zahlreichen Kameras. Der Schauspieler hat die Bühne unter tosendem Applaus verlassen. Jetzt ist sie leer. Ich halte einer Mitarbeiterin von Alpha Books meinen Presseausweis unter die Nase, sie deutet auf einen leeren Stuhl, ich setze mich. Eine üppige Sechzigjährige auf der einen Seite, auch sie wedelt sich mit einem Fächer Luft zu. Sie trägt ein rosa Leinenkleid, das ein wenig zu eng ist. Auf der anderen Seite ein Mann Mitte vierzig mit einem Block auf den Knien. Seine Nationalität kann ich schwer erraten. Bei der Rosaroten bin ich mir hingegen fast sicher, dass es sich um eine Italienerin handelt. Plötzlich ein Zischen und ein seltsamer Sprühnebel. Glückliches Ächzen neben mir. Ich sehe irritiert nach oben. Nächste Portion. Kühles Wasser in fein zerstäubter Form. Was es nicht alles gibt.
Ein Mann
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