Maennerfallen - Ein Mira-Valensky-Krimi
betritt die Bühne. Gleichzeitig sehe ich, wie Farah Seifried aus dem Seiteneingang kommt und von einer der Organisatorinnen zu einem Randplatz in der ersten Reihe geführt wird. Neben ihr Pauers junge Frau. Der Mann teilt uns auf Italienisch mit, dass Pauer gleich kommen werde. Den Rest verstehe ich leider wieder einmal nicht. Dann Auftritt des Bestsellerautors, begleitet von der Übersetzerin Angelina. Die Arme. Das macht sie nicht mit großer Begeisterung, da bin ich mir sicher. Der Applaus ist nicht eben üppig, es gibt welche, die demonstrativ die Hände verschränken. Und von hinten höre ich auch Buh-Rufe.
Leider werden die Fragen von Pauers Gesprächspartner nicht laut auf Deutsch übersetzt. Im Programm habe ich nachgesehen, dass er Universitätsprofessor, Autor und Psychoanalytiker ist. Und dass er als eines der Aushängeschilder der kritischen italienischen Linken gilt. Er liest einen Absatz aus der italienischen Ausgabe von „Sei ein MANN!“. Ein Raunen geht durchs Publikum. Es war irgendwas mit Sex, da bin ich mir fast sicher. Wobei: „Sesso“ und „sessanta“ und noch viele italienische Wörter klingen für mich ziemlich ähnlich.
Pauer holt Luft und beginnt. Was folgt, ist das Übliche. Ich habe es in den letzten Wochen gelesen und gehört und ich habe es seit heute teilweise auch auf Band: dass er ganz sicher nichts gegen den „Aufholprozess“ der Frauen habe, aber inzwischen seien Männer benachteiligt. Und es sei nur gerecht, dass Männer endlich wieder sie selbst sein dürfen.
„Wir werden behandelt, als wenn wir behinderte Unholde wären!“ Angelina stockt kurz und übersetzt weiter.
Das Publikum reagiert gelassen. Der Uniprofessor und Therapeut fragt ihn ganz ruhig etwas, das mit dem Abend im Hotel zu tun haben dürfte. Ich verstehe „Nouvel Grand“. Pauer springt auf. „Es war ausgemacht, dass das Thema nicht zur Sprache kommt! Es geht ausschließlich um mein Buch!“, ruft er. Geraune im Publikum, als Angelina übersetzt.
„Ich will mich nicht mehr länger rechtfertigen müssen! Ich habe es satt! Sie alle werden sich bald schon wundern! Vieles ist anders, als es aussieht!“ Angelina übersetzt wieder, flüstert dann auf ihn ein. Er nickt und setzt sich wieder. „Scusi“, sagt er dann, „aber Sie haben keine Vorstellung, welchem Druck ich ausgesetzt bin.“ Er versucht ein kleines Lächeln. „Und jetzt reden wir wieder über mein Buch.“ Und Angelina übersetzt und auch Farah Seifried lässt sich wieder auf ihren Platz nieder.
Als ich gegen Mitternacht beim Hotel ankomme, ist die Terrasse noch gut besetzt. Gruppen von Menschen, die trinken und lachen. Es hat sicher fünfundzwanzig Grad. – Ob ich auch etwas wolle, fragt mich der Hagere, der hier alles zu machen scheint. Ich überlege.
„He, Frau Valensky, kommen Sie doch zu uns“, ruft einer herüber. Der deutsche Autor, mit dem ich im Bus nach Gavoi gefahren bin. Der angeblich schon Bestseller geschrieben hat, als Pauer noch in die Windeln schiss. Ich bestelle ein Glas Vermentino und gehe zu seinem Tisch. Drei weitere Personen, die mir vorgestellt werden: die Leiterin des Goethe-Instituts in Rom, eine Journalistin aus Hamburg, ein jüngerer Autor, dessen Name mir immerhin bekannt vorkommt. Sie schwätzen über den Abend und meinen, eigentlich sei dieser Pauer ziemlich langweilig gewesen.
„Er passt sich an“, erkläre ich.
„Was, und die Leute hier sind langweilig?“, dröhnt Frank Grohem.
„Nein, aber ihm ist klar, dass er bei diesem Festivalpublikum nicht mit sexistischen Sprüchen punkten kann. Und mit seinem Echte-Männer-Getue auch nicht.“
„Zumindest werden die wenigsten zugeben, dass ihnen so etwas gefällt“, nickt der jüngere Autor.
„Sie sind wirklich wegen diesem Pauer hier?“, fragt mich die Journalistin aus Hamburg mit spürbarer Ablehnung.
Tja, sorry, es gibt eben nicht nur Journalistinnen, die sich mit der schönen Literatur beschäftigen. Aber das sage ich natürlich nicht. „Ich hatte ein großes Interview mit der Frau, die er versucht hat zu vergewaltigen.“ Wie gespreizt das klingt.
„Ja. Natürlich. Mit so etwas sind unsere Zeitungen voll.“
Ich habe keine Lust, mich zu rechtfertigen. Ich will ihr auch keinen Vortrag darüber halten, dass es wichtig ist, über so etwas zu berichten. Ich werde ihr auch nicht erzählen, dass ich mit viel mehr Freude eine Reportage über das Festival schreiben werde. Auf dem Tisch steht eine schlanke Flasche, vor allen sind kleine Gläser.
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