Maennerfallen - Ein Mira-Valensky-Krimi
den Bergen herab.
[ 13. ]
Ich schrecke auf. Mein Wecker. Ich habe viel zu kurz geschlafen und irgendetwas Wirres geträumt, an das ich mich nicht mehr erinnern kann. Ein Streit … zumindest der zwischen Pauer und Seifried war Realität. Deswegen auch der Wecker. Damit ich noch einmal eine Chance habe, ihn beim Joggen zu erwischen. Oder besser danach. Fünfzehn Kilometer. Du liebe Güte. Ganz schön anstrengend, so ein Vorzeigemann zu sein. Ich dusche. Das Knie brennt immer noch abscheulich, ich muss aufpassen, dass ich mir beim Abtrocknen nicht den Schorf herunterrubble. – Ich sollte vor allem aufpassen, dass ich nicht zu spät zum Weg rund um den See komme. Ich hetze hinunter, dürres Laub überall, kein Wunder, dass es in Sardinien immer wieder Waldbrände gibt. Ich sehe mich um. Nur das ruhige Wasser, ein paar Enten und Frösche. Seltsam schnarrende Vogelgeräusche. So viel Natur ist mir etwas unheimlich. Ich gehe langsam Richtung Wald. Und höre Schritte. Richtig gedacht, Mira, juble ich. Jetzt muss es mir nur gelingen, ihn noch einmal zu stoppen. Wenn er offenbar ein paar Dinge loswerden will: warum nicht im „Magazin“? Warum nicht viel deutlicher als gestern?
Seltsam, heute ist er lauter. Und er spricht. Ich drücke mich an einen Baum. Da sind mehrere Menschen unterwegs. Um genau zu sein: ein Kamerateam, ein Pauer, eine Seifried und eine von den Pressefrauen. Die filmen ihn beim Joggen und seine Verlagschefin passt auf, dass er nicht aus der Rolle fällt. Was beim Joggen nicht so wahrscheinlich ist. Pauer erklärt im lockeren Lauf, wie wichtig ihm Bewegung sei. Wie sehr sie seinen Kopf frei mache. Dass Männer stolz auf ihren Körper sein sollten. „Und: Frauen wollen keine Weicheier“, tönt er, ganz ohne zu keuchen. Der Mann ist zurück!
„Was machen Sie hier?“, fragt mich Farah Seifried nicht eben freundlich.
„Ich wohne im Hotel. Ich gehe spazieren. Brauche ich dafür eine Erlaubnis?“
Sie versucht ein Lächeln. „Wohl nicht. Aber: Wir drehen hier.“
„Habe ich gemerkt. Stört mich nicht weiter.“
Die Verlagschefin sieht mich irritiert an. „Sie können jetzt sicher kein Interview kriegen.“
Sie scheint nichts davon zu wissen, dass mir ihr Schützling schon eines gegeben hat. Vielleicht muckt er doch schön langsam auf.
Ich rufe in der Redaktion an, berichte dem Chefredakteur, dass ich ein Interview habe und einiges mehr, über das ich jetzt nicht reden könne. Ich würde den Flug morgen am frühen Nachmittag nehmen. Und die Kulturredaktion solle mir bitte auch Platz freihalten.
Oskar erzählt am Telefon, dass Gismo wieder ganz hergestellt sei, sie habe es geschafft, eine von zwei Knackwürsten zu klauen, die er braten wollte.
„Knackwürste? Willst du nichts Ordentliches essen? Du kannst doch kochen. Oder dir irgendwas kommen lassen.“
„Ich liebe Knackwürste. Gismo offenbar auch.“
So entdeckt man an seinem Mann immer wieder neue Seiten.
Ich nehme den Shuttlebus nach Gavoi, schlendere durch die steilen Steingassen, höre einer meiner Lieblingsautorinnen zu, die gemeinsam mit ihrer Gesprächspartnerin auf einem wundervollen Balkon über einem kleinen Platz sitzt und über die Verbindungen zwischen Realität und Fiktion diskutiert. Zumindest glaube ich, dass es darum geht. – War Nicole mit dem blauen Kopftuch Realität? Was hat sie da gewollt? – Hier könnte man „Romeo und Julia“ drehen. Ich schaue in die schmale Seitengasse und beobachte, wie eine Fotografin versucht, eine ältere Frau mit roten Haaren so auf der verfallenen Treppe zu positionieren, dass das Licht passt. Das könnte diese Daniela sein, überlege ich und habe eine Idee. Mit ihr sollte ich für die Story im Kulturteil reden. Quasi als Verbindungsglied zwischen der Bergstadt und ihren Autoren. Ich warte, bis die beiden fertig sind. Daniela packt einige Kameras auf die Schulter, schnappt sich das Stativ. Ich laufe hinüber. – Ob ich sie kurz interviewen dürfe, frage ich auf Englisch.
„Mich?“, fragt sie überrascht zurück. Und: Eigentlich habe sie gar keine Zeit, weil achtundvierzig Autorinnen und Autoren in drei Tagen so zu fotografieren, dass es zu ihnen und zu Gavoi passe und dass sich daraus auch noch großformatige Bilder machen ließen, das sei schon ein ziemlicher Stress. Ich nehme ihr das Stativ ab und trabe einfach neben ihr her, zum nächsten Termin. Es dürfte sich um ein Haus weit oben am Berghang handeln, ununterbrochen geht es bergauf. Ich halte ihr mein Aufnahmegerät hin,
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