Männerfrei: Roman (German Edition)
diesem Blatt die Liste steht, die ich gelesen habe (wobei ich mir ein Auge zuhalten musste, weil ich nach dem Wodka alles doppelt sah), bevor ich letzte Nacht einschlief.
REGELN FÜR DIE LIEBESAUSZEIT
Keine Dates annehmen.
Keine Männer zu einem Date einladen.
Offensives Flirten ist nicht erlaubt.
Nach Möglichkeit nicht über die Auszeit sprechen.
Über die Auszeit zu sprechen ist nur als Begründung für die Ablehnung eines Date erlaubt. Sonst würde das die Männer nur neugierig machen und eine andere Form des Flirtens sein, die als Herausforderung verstanden wird.
Keine verkappten Dates, z.B. ein gemeinsamer Besuch im Kino oder so, der offenkundig arrangiert ist, auch wenn das bestritten wird.
Keine neuen Männerbekanntschaften. Das stiftet nur Verwirrung. Und es eröffnet Gelegenheiten für ein verkapptes Date unter dem Vorwand eines rein platonischen Freundschaftstreffens, das im Grunde auf ein Date hinausläuft.
Küssen ist verboten. Außer in Extremsituationen, z.B. ein Männermodel/witziges Genie steht kurz davor, in See zu stechen, um die Welt zu retten, und beim Abschied fängt dieser Traummann plötzlich an zu weinen und schluchzt, dass er noch nie einen richtigen Liebeskuss erlebt hat.
Solltest du tatsächlich einem Männermodel/witzigen Genie begegnen, das die Welt retten will, darfst du mit ihm ins Bett gehen. Ansonsten gilt: Keine Besucher in deinem Salamiversteck; das macht die Dinge nur komplizierter. Ohne jede Ausnahme.
Keine Scheißkerle.
Das Blatt trägt meine Unterschrift und die von Bloomie. Unsere Handschrift ist, wenig überraschend, schwungvoller als sonst. Ich habe sogar das Wort » Frau« vor meinen Namen gesetzt. Hm.
Was zum Teufel ist ein Salamiversteck?
Shampoo, Conditioner, Achseln rasieren, Zähne besonders gründlich putzen, meine Beine bekommt heute niemand zu Gesicht, Scheiß auf das Peeling, Handtuch… Wo zur Hölle ist die Feuchtigkeitslotion? Egal– Deo, Parfüm. Mein modisches Credo lautet heute: » Bequem muss es sein.« Ich entscheide mich für meine uralte Levi’s 501 , ein acht Jahre altes graues Schlabber-T-Shirt, das ich » Ol’Grey« nenne, eine braune Strickweste, Wollsocken und Converses. Ich sehe aus wie ein Fan der Smashing Pumpkins. Ein männlicher Fan. Aus dem Jahr 1992 . Das geht nicht. Wenn ich an meinem Outfit zweifle, motiviere ich mich normalerweise mit dem Spruch » Wenn ich sage, das geht, dann geht das auch«, aber dieses Mal gelingt mir das nicht.
Ich ziehe alles wieder aus und überlege einen Augenblick. Was wäre sonst noch bequem? In den Siebzigern zu leben war bestimmt bequem. Glaube ich jedenfalls. Keine E-Mails, keine Handys, überall durfte geraucht werden, und man tippte auf Schreibmaschinen. Wie simpel. Ich ziehe schließlich meine Jeansschlaghose an, ein geripptes weißes Oberteil und meine Chucks, flechte meine feuchten Haare zu einem seitlichen Zopf, binde mir einen H&M-Schal aus Seide (beziehungsweise Polyester) im dezenten Retrolook als Gürtel um die Hüfte und verknote ihn an der Seite. Dann betrachte ich mich wieder im Spiegel. Ah ja. Erinnert ein bisschen an eine Studentin in den Siebzigern. Das geht so. Ein Glück, dass ich in der Werbebranche arbeite und anziehen kann, was ich will. Müsste ich jetzt einen Hosenanzug tragen, würde ich mir die Pulsadern aufschlitzen… Make-up… hm. Meine Brauen sind wieder einmal besonders ätzend, doch ich habe heute keine Geduld dafür. Dicke Wimperntusche, ein bisschen Selbstbräuner und Rouge für ein gesundes Aussehen, Lippenbalsam. Ich ergänze das Ganze mit einem beigekarierten Herrenmantel, den ich in einem Charity Shop gekauft habe, und voilà. Leicht wässrige Augen, aber es geht. Ich sehe auf meine Uhr. Ich habe heute doppelt so lange gebraucht wie gestern, um mich fertig zu machen. Genau aus diesem Grund trinke ich unter der Woche nicht (viel).
Auf dem Weg zur Arbeit denke ich in der U-Bahn über meine männerfreie Zeit nach. Natürlich ist die Idee albern. Aber auch so einfach. Eine einfache Möglichkeit, sich nicht damit auseinanderzusetzen, dass man wieder Single ist.
Ich könnte die männerfreie Zeit nutzen, um mein oben erwähntes gebrochenes Herz zu heilen– okay, okay, es ist nicht gebrochen, und ich habe im Prinzip gestern keinen Gedanken an Posh Mark verschwendet. (Mensch, Sie sind eine sehr aufmerksame Leserin.) Trotzdem ist mein Herz im Moment eingeschüchtert und traut sich nicht, zum Spielen rauszukommen. Lieber legt es sich mit Schokolade und einem Liebesroman von
Weitere Kostenlose Bücher