Männerfrei: Roman (German Edition)
sodass der Vormittag wie im Flug vergeht. Ich frage mich, wann wir nach der Präsentation gestern etwas von den Deutschen hören werden. Die anderen scheinen alle zu denken, ich verfüge über Insiderwissen, weil ich ständig gefragt werde, ob es etwas Neues gibt.
Als Coop gegen elf ins Büro stürmt, breitet sich sofort gespannte Stille aus, aber er marschiert direkt in sein Büro hinter dem Wandschirm, während er in sein Handy » Ja. Ja. Ja. Ja.« bellt. Seufzend drehe ich mich wieder zu meinem Monitor.
Schon seltsam, wie deprimierend es ist, nicht mehr diesen Projektdruck im Nacken zu haben, nun, nachdem ich mich daran gewöhnt habe. Und leider gibt es sonst nicht viel, was mich davon ablenkt, über Dinge nachzudenken, über die ich nicht nachdenken sollte. Zum Beispiel über Rick und Jake. Ich habe mir das Online-Shoppen bis zum Monatsende verboten, und es kommen nur sporadisch E-Mails herein. (Mit ungefähr Mitte zwanzig haben meine Freunde und ich aufgehört, alle paar Minuten eine E-Mail zu verschicken. In unseren ersten Jobs war das noch üblich. Beispiel: » Ich habe Hunger. Was soll ich essen?« Ich werde nie vergessen, dass ich einmal » Ich sehe was, was du nicht siehst« via E-Mail mit Leuten in Büros in London Bridge, Liverpool Street, Mayfair und Park Royal– also auf der anderen Flussseite– gespielt habe.)
Coop ruft mich am Nachmittag herein.
» Text-Ass. Heute Abend sind die Deutschen bei mir zu Hause zum Essen eingeladen«, sagt er, während er in dem Chaos auf seinem Schreibtisch wühlt. » Kommst du auch?«
» Was?«, gebe ich zurück.
Er hasst es, wenn er sich wiederholen muss. » Die Deutschen. Kommen. Zum Essen. In mein Haus. Heute Abend.«
» Warum?«
Coop seufzt. » Ursprünglich war ja ein gemütlicher Abend geplant, damit Stefan und ich mal wieder ungestört miteinander quatschen können, aber dann sind wir mit der Nachbesprechung pünktlich fertig geworden, also musste ich Felix auch einladen, und Lukas konnte ich schließlich nicht außen vor lassen. Dann wären da noch Marlena, ihre Schwester und du.« Er zieht sein Handy hervor und liest eine neue SMS. » Warte, Marlenas Schwester kann nicht kommen. Sie ist in einem Yoga-Retreat für Notfälle. Was für eine Irre. Egal, ich möchte gerne, dass du kommst. Ich hoffe, sie verraten uns heute Abend, ob wir den Auftrag bekommen.«
Nach der Arbeit eile ich nach Hause, um mich kurz unter die Dusche zu stellen und in ein kundenfreundliches, aber nicht zu offenherziges Outfit zu werfen. Ich entscheide mich für ein sehr braves gepunktetes Cocktailkleid, ähnlich dem, das Vivian in Pretty Woman beim Polo trägt. Nur dass meins dunkelblau ist, nicht braun. Und die Punkte sind kleiner. (Okay, es ist doch nicht so ähnlich. Aber darum habe ich es ursprünglich gekauft. Ruhe jetzt.)
Rote Schuhe, Haare glatt mit Seitenscheitel und Spange überm Ohr, Trenchcoat– perfekt. Schick, aber trotzdem geschäftstauglich. Vielleicht kehrt meine modische Inspiration zurück. Ich nehme ein Taxi in die Nahverkehrswüste Battersea (Kommen Sie mir jetzt nicht mit Bus und Bahn, ich bitte Sie, das ist schließlich geschäftlich, und ich kann das Fahrgeld als Spesen abrechnen, brauche ich eine weitere Entschuldigung?) und werde an der Tür von Coops Reihenhaus von Marlena in einem » Das habe ich vor Jahren auf Ibiza entdeckt«-Kleid in Weiß begrüßt. Es bringt ihre langen gebräunten Arme, ihr Dekolleté, ihre Wangenknochen und die langen glänzenden schokoladenbraunen Haare zur Geltung.
» Ah, Sass. Wie schön, dich zu sehen.« Marlena lächelt mich an. Absolut perfekte Zähne. Kein Make-up– da ich damit gerechnet habe, habe ich mich selbst ganz dezent geschminkt, oder besser gesagt: Ich bin voll geschminkt, aber nur, um sehr natürlich zu wirken.
Ich bemühe mich, auf andere Frauen nicht neidisch zu sein, wirklich. Das ist so eine negative, sinnlose Empfindung. Trotzdem bewundere ich die lässige Perfektion von Marlena und wünsche mir, ich hätte wenigstens ein bisschen was davon. Neben ihr komme ich mir vor wie eine Anziehpuppe für Kinder.
Seufz. Was soll’s. Ich bin eine Anziehpuppe.
Wir betreten das Wohnzimmer mit der hohen Decke und der großen weichen weißen Couchgarnitur. Coop kniet in der Ecke und sucht Schallplatten für den Abend aus.
» Kann ich dir in der Küche helfen, Marlena?«, frage ich und nehme ein Glas Champagner entgegen.
» Nein.« Sie macht eine wegwerfende Handbewegung und wendet sich zum Gehen. » Ich habe ein
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