Männerfrei: Roman (German Edition)
die Hand und winkt mich herüber. Recht attraktiv, superhässliches Hemd.
» Oh, um Gottes willen«, denke ich. Warum jetzt? Wenn ich kein Date möchte? Wo waren die alle vor sechs Monaten?
Kapitel 16
Shampoo, Conditioner, Zähne putzen, Peeling mit Massagehandschuh und Körper einseifen, Achseln und Beine rasieren. Es ist der Morgen nach dem Abend in Sophie’s Steakhouse, wo mir Rick begegnete. Die Sonne scheint, und es ist schon fast warm. Ich bin noch immer leicht erhitzt von meiner Joggingrunde, während ich in Unterwäsche vor meinem Schrank stehe und auf eine modische Eingebung warte.
Volle fünf Minuten später, nachdem ich meine mangelnde Fantasie verflucht habe, entscheide ich mich für ein weißes ärmelloses Oberteil, ein kurzes schwarzes Trägerkleid und flache schwarze Sandalen. Ich nenne das Outfit » St. Germain-Schulmädchen« und ergänze es mit einem langen, dünnen gestreiften Schal aus Baumwolle. Haare: strenger Seitenscheitel, lässiger Chignon im Nacken. Make-up: bitte ja. Amy-Winehouse-mäßiger Lidstrich, blassrosa Rouge. Die Brauen sind fast verdächtig gehorsam. Ich trete einen Schritt zurück und überprüfe das Ergebnis. Es hat ein bisschen länger gedauert als geplant, doch das innere und das äußere Ich gehen beschwingten Schrittes, Arm in Arm, gemeinsam die Straße entlang.
Heute kann ich es in der Arbeit ein wenig ruhiger angehen lassen, aber trotzdem möchte ich früh im Büro sein. Das Tohuwabohu gestern, mit dem Kaffeedesaster und Andys Intrige und der Präsentation anschließend, war irgendwie anstrengend, und ich will heute in Ruhe meinen Schreibtisch aufräumen und mir einen Überblick verschaffen.
Der Gedanke, dass Jake auf Eddies Party übernächstes Wochenende sein wird, schwebt mir durch den Kopf. Ich lasse ihn kurz verweilen, bevor er wieder davonschwebt. Ob Jake denkt, ich habe einen Knall, weil ich an jenem Abend im Montgomery Place weggelaufen bin? Warum kommt er mir täglich in den Sinn, obwohl ich ihn seit drei Monaten nicht gesehen habe? Egal. Ich brauche mir nicht seinetwegen den Kopf zu zerbrechen, ich habe Männerpause. Lalalaaa. Hallo, Gelassenheit, meine alte Freundin.
Die Gelassenheit bekommt sofort von Rick, der ungeduldig hinter den Kulissen wartet, einen Tritt gegen den Schädel. Die zufällige Begegnung mit ihm gestern Abend war zutiefst verstörend. Ich kann noch immer nicht genau einschätzen, was ich davon halten soll. Ich habe Desinteresse gespürt, als ich mich mit ihm unterhalten habe. Ich fand ihn gar nicht mehr so attraktiv, und ich hasse ihn nach wie vor, da er so ein widerlicher Scheißkerl ist. Warum muss ich dann jede Sekunde unserer Begegnung genauestens analysieren?
Tatsächlich kann ich auch zu Ihnen absolut offen sein. Als ich gestern Abend im Bett lag, schwelgte ich in sehr männerauszeitfeindlichen Fantasien, in denen Rick vor meiner Tür auftauchte und mir sagte, ich sei die schönste und wunderbarste Frau, der er je begegnet ist, und er habe die größte Dummheit in seinem kurzen, verkorksten Leben begangen. Er gab außerdem zu, ein egoistisches, arrogantes Schwein zu sein. Meine Reaktion konnte ich in meiner Fantasie nicht sehen, aber offenbar habe ich ihn während seiner Beichte herablassend gemustert. Und ich war top gestylt. Ich spulte besagtes Fantasieszenario immer wieder an den Anfang zurück, öfter, als ich zugeben mag. Das war wahrscheinlich nicht im Sinne meiner Männerpause. Und die ist noch nicht vorbei, trotz allem, was Bloomie und Kate sagen. Sie ist noch aktuell.
Ich sehe in den Spiegel, mache ein böses Gesicht und zeige auf mich. Hör sofort auf mit dieser Jake-Rick-Jake-Rick-Gedankenspirale, und ich meine sofort. Hör auf, deine Gedanken an diese Scheißkerle zu verschwenden, verdammt. Das ist erbärmlich. Du hast noch immer Männerpause. Du bist glücklicher als je zuvor. Reiß dich zusammen.
Ich schimpfe gerne mit mir selbst. Besonders wenn ich keine Widerrede gebe.
Ich hüpfe fröhlich die Treppe herunter, wobei mir auffällt, dass Anna wieder selten zu Hause ist, was bestimmt für die Beziehung mit Ron oder Don oder wie auch immer er heißt gut ist, ganz zu schweigen für mich. Ich liebe es, die Wohnung für mich alleine zu haben. Es ist ein herrlicher Morgen, als ich durch den St. James’s Park in der wunderbaren Junisonne zur Arbeit spaziere. Das macht einen freien Kopf und gibt innere Ruhe, und ich komme ausgeglichen und konzentriert in die Agentur. Ich habe für diverse Kunden einiges zu erledigen,
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