Männerfrei: Roman (German Edition)
was er zu sagen hat, und danach wieder abhauen. Das ist okay. Völlig okay. Ich habe die Situation unter Kontrolle. Ich habe schließlich Männerpause.
Als wir im Nobu ankommen, sitzen die anderen drei bereits an einem Tisch, auf dem sechs Matsuhisa Martinis stehen, ein Cocktail aus Wodka, Sake und Ingwer, absolut köstlich. Ich setze mich und trinke in einem Zug ungefähr ein Drittel meines Cocktails.
» Wenn ich den Namen von dem Zeug nicht mehr aussprechen kann, dann hindert mich bitte am Weitertrinken«, meine ich zu niemandem Bestimmtem. Lukas grinst mich an.
Ich sitze zwischen Felix und Lukas. An unserem Tisch geht es laut zu. Felix ruft den Kellner. » Bringen Sie uns als Vorspeise scharfe Miso Chips, Spicy Tuna Maki, Tempura mit Süßkartoffeln, oh, und Stiertartar. Und noch eine Runde für alle«, sagt er und tippt gegen sein Martiniglas. Er lässt den Blick über den Tisch schweifen. » Meine absoluten Favoriten«, fügt er entschuldigend hinzu. Felix hat Lieblingsspeisen im Nobu?
Um mich von der Tatsache abzulenken, dass ich gerade einer Verabredung– sorry, einem kurzen Treffen, was also fast nicht zählt– mit Rick zugestimmt habe, lasse ich den Blick durch das Restaurant wandern. Ich entdecke ein paar Gesichter, bei denen es sich um C-Promis handeln könnte, aber, wie üblich in London, wimmelt es hier von unbekannten Schönheiten, die automatisch alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie stammen vielleicht aus England, Frankreich, New York, Russland, Brasilien oder Dubai (oder alles zusammen) und machen einen gut erholten und gut gekleideten Eindruck, während sie sich an der Bar und an den Tischen unterhalten. Diese Selbstsicherheit, diese lässige Perfektion. Ich frage mich, ob diese Leute Mantras haben. Irgendwie bezweifle ich das. Plötzlich werde ich auf einen Mann in mittlerem Alter zwei Tische weiter aufmerksam, der mir zuwinkt. Ich starre zu ihm hinüber. Er trägt einen grauen Anzug und sitzt mit einer blonden Frau am Tisch. Beide trinken Sake. Er winkt wieder, und ich sehe genauer hin.
Plötzlich macht es Klick.
Es ist der schlaue Henry. Der ernste, distanzierte, schlaue Henry. Und er winkt mich an seinen Tisch.
» Ich glaube, der meint Sie«, bemerkt Lukas.
» Ich weiß, ich weiß«, sage ich. Shit, schätze, ich muss wohl rübergehen.
Der schlaue Henry springt auf, als ich mich seinem Tisch nähere. Er wirkt irgendwie aufgedunsen und dick, trotz seines geschniegelten Anzugs, und viel älter als vierunddreißig. Wo ist sein hübsches altes Tweedjackett?, denke ich traurig. Er scheint sich sehr zu freuen, mich zu sehen, und drückt mich zur Begrüßung fest an seine Brust.
» SARAH!«, ruft er. » Du siehst FANTASTISCH aus!«
» Danke«, erwidere ich, leicht überwältigt. » Wie geht es dir?«
» GUT! Und DIR?«, entgegnet er. Wow, so enthusiastisch habe ich ihn noch nie erlebt.
» Auch gut«, antworte ich und starre leicht schockiert in sein Gesicht. Er ist so alt und fett geworden, wo ist der hagere, lakonische, unabhängige Autor, wegen dem ich so viele Tränen vergossen habe? » Wie geht es dir, ich meine, wie war’s in Harvard?«
» Spitzenmäßig!«, antwortet der schlaue Henry und stellt mir seine Begleiterin vor. Sie heißt Kristina und kommt von irgendwo aus Skandinavien. Falsche Titten, falsche blaue Kontaktlinsen, diese merkwürdig nach oben gewölbten Augenbrauen wie bei Kylie und der Blonden von Girls Aloud. Aber sie hat ein sehr nettes Lächeln.
» Du siehst toll aus!«, meint er. Seine Stimme hat einen seltsamen transatlantischen Akzent angenommen. » Was machst du so? Wie läuft es in der PR?«
» Äh, ich arbeite nach wie vor in der Werbebranche«, sage ich. » Und du?«
» Ich bin gerade mit meinem MBA fertig, weißt du. Kristina und ich machen hier nur einen Zwischenstopp auf dem Weg nach Zürich. Ich werde dort ab Juli für eine große europäische KG arbeiten.«
» Die Finanzwelt ist bestimmt nicht einfach im Moment«, bemerke ich. Was zum Geier ist eine KG?
» Eine schöne Frau wie du braucht sich um so etwas keine Gedanken zu machen«, erwidert er und lächelt mich auf eine Art an– jetzt, wo er so alt und fett aussieht–, die man nur als gönnerhaft beschreiben kann. Fand ich das früher wirklich ironisch und amüsant? Unsere Trennung ist gerade einmal zwei Jahre her, und er hat sich so sehr verändert? Oder habe ich mich verändert? Nein, ich bin noch die Alte. Es muss an ihm liegen.
» Ich muss wieder zurück… an meinen Tisch«, erkläre
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