Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt
anruft, habe, muss ich mir eigentlich keine Sorgen machen. Ja, und wenn er nicht mehr anruft, um mich anzulügen? Dann bin ich ihm egal und das ist das Ende. Und davor habe ich eben Angst. Der Kopf sagt, komm, der Norbert liebt seine Kinder, das Haus ist erst in 19 Jahren abbezahlt, der ist Vizemeister im Doppel bei den Senioren in unserem Tennisclub, der hat schon im März den Augusturlaub anbezahlt, der macht keine Dummheiten. Aber weiß man’s? Die Angst, die sitzt ja leider nicht im Kopf, die sitzt woanders. Immer wenn sie mich überkommt, die Angst, dass er nicht anruft, dann denke ich an was Verrücktes. Letztes Mal zum Beispiel habe ich mir gedacht, ich setz’ mich einfach in den Qashqai und gebe Gas, bis der Tank leer ist. Da käme man wahrscheinlich bis zum Gardasee. Bei vollem Tank. Dann fielen mir die Kinder ein und dann war es auch wieder gut. Der Qashqai übrigens, heißt es, ist nach einem Nomadenstamm benannt, der durch die südiranische Wüste zieht. Auch schön, irgendwie.
HEROISCHE LÜGEN
Männer lügen natürlich auch Männerlügen, heroische, selbstlose Verdrehungen von Wahrheit, um anderen zu helfen. Doch, doch, das gibt es neben dem Hochschummeln der Zylinderleistung auch.
Ein klassisches Beispiel: Das Rennen zum Südpol hatte der Brite Robert Falcon Scott gegen den Norweger Roald Amundsen verloren. Die imperiale Mentalität des Offiziers der Royal Navy – immer das Vorbild vom Angriff der leichten Brigade im Kopf – verleitete ihn zu dem tragischen Fehler, den Südpol mithilfe von Ponys erreichen zu wollen. Doch die Tiere waren nicht akklimatisiert und brachen mit ihren Hufen im tiefen Schnee ein. Der pragmatische Amundsen vertraute auf Hunde. Auf dem Hinweg zogen sie die Schlitten, auf dem Rückweg dienten sie als Nahrung. Amundsen erreichte mit seinen Leuten den Pol am 14. Dezember 1911, Scott mehr als einen Monat später am 18. Januar 1912. Auf dem 1300 Kilometer langen Rückweg ging ihm und seinen Begleitern die Nahrung aus. Erst stirbt der walisische Marineoffizier Edgar Evans, dann bricht bei dem britischen Polarforscher Lawrence Oates eine alte Beinverletzung wieder auf, so dass er nur noch unter großen Schmerzen gehen kann. Oates weiß, dass er den anderen, die selbst kaum noch eine Überlebenschance haben, nur eine Last ist. Mit den Worten »Ich geh mal nach draußen und bleibe dort für eine Weile« verlässt er das Zelt und verschwindet für immer im Schneesturm. Sein Opfer war umsonst, denn auch die drei verbliebenen Polstürmer sterben im ewigen Eis. Doch Oates’ Ausspruch – eine Lüge in der Absicht, die Überlebenschancen der anderen zu erhöhen – ist in Scotts später gefundenen Aufzeichnungenerhalten geblieben und gilt nicht nur in Großbritannien als Inbegriff humanen Heldentums.
Menschlicher Gegenspieler zu Pinocchio, der Holzpuppe, der bei jeder Lüge die Nase wächst, ist einer, der schon eine lange Nase hat und deshalb lügen muss: der Gascogner Cyrano de Bergerac. Er liebt seine schöne Cousine Roxane, ist aber wegen seines hässlichen Aussehens zu schüchtern, um ihr seine Liebe zu gestehen. Roxane hat ein Auge auf Christian, einen Gascogner Kadetten, geworfen, der hübsch aussieht, aber recht einfältig ist. Cyrano opfert seine Liebe Roxanes Glück, indem er dem tumben Christian romantische Poesie schreibt, die dieser dann der entzückten Roxane vorträgt – eine klassische »gute« oder weiße Lüge. Belohnt wird Cyrano dafür nicht, denn gerade als er sich ihr erklären will, bekommt Roxane die Nachricht, dass Christian im Kampf gefallen sei, und so schweigt Cyrano – streng genommen eine weitere Lüge –, um Roxanes Andenken an Christian nicht zu zerstören. Erst 14 Jahre später erfährt Roxane, die inzwischen ins Kloster gegangen ist, die Wahrheit. Doch da ist es zu spät für Cyrano. Bei einer Attacke wird er schwer verwundet und stirbt in den Armen seiner Liebe, für deren Glück er sich geopfert hat.
In Benignis Film ›Das Leben ist schön‹ geht es nur um eine Lüge, allerdings die heroischste, die man sich denken kann. Benigni spielt einen italienischen Juden, der mit seinem kleinen Sohn ins KZ deportiert wird. Um diesem Kind die Hölle des Lagers einigermaßen erträglich zu machen, lügt er ihm vor, es ginge hier um einen sportlichen Wettkampf und der erste Preis sei ein Panzer. Der Vater zahlt mit dem Leben dafür, aber die Seele des Jungen bleibt unverletzt.
Lügen dieser Art, Männerlügen in bestem Sinne, hätten vor den
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