Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt
reden sie nur von dem tollen Blick auf die Berge, den man in Taufering hat. Wann blickt man schon auf die Berge, ich meine jetzt mit dem Bewusstsein »Schön sind’s, die Berge«, wenn man den Blick auf die Berge vor seiner Haustür hat und immer, wenn man will, auf die Berge blicken kann? Was man dauernd sehen kann, ist doch irgendwann mal nicht mehr schön. Darum fährt man ja weg.
Der Erich, ja gut. Der Erich aus meiner früheren Arbeit. Mit dem habe ich mal versucht darüber zu reden. Ich habe ihm stolz erzählt, was der Norbert sich alles einfallen lässt beim Lügen, aber der Erich hat das missverstanden. Er meinte, ich würde bei den Lügereien von Norbert ja nur deshalb stillhalten, weil das mit der Umschulung nicht geklappt hat. Der Erich ist eben bei der Gewerkschaft, versteht also nichts vom Zwischenmenschlichen.
Die Sache ist doch die: Für Sex habe ich Beweise gefunden. Und überhaupt keine für Zärtlichkeit. Keine SMS, kein Twitter, keine E-Mail, kein geschmatztes Küsschen auf dem AB, nichts. Die rufen nicht an, schreiben keine Briefe, nichts. Mit denen hat er kein Haus, keine Kinder, kein Wochenende, keinen Urlaub. Das hat er alles nur mit mir. Und die Zärtlichkeit, die ich so brauche. Das singt doch die Claudia Jung so schön:
Immer wieder eine Handvoll Zärtlichkeit
Gibst du und hilfst mir durch die Dunkelheit.
Immer wieder eine Handvoll Zärtlichkeit
Brauch’ ich, sonst wird für mich der Weg zu weit.
Die Zärtlichkeit habe ich von ihm am Wochenende. Was zählt denn sonst noch?
Gut, wir haben damals kirchlich geheiratet, weil es seine Eltern so wollten, und da hat man uns was erzählt von ehelicherTreue und von Sünden. Aber das ganze Religiöse ist doch heute nicht mehr zeitgemäß. Da halten sich ja die Pfarrer selbst schon nicht mehr dran. Möchte nicht wissen, was unter den Dächern von Taufering so alles los ist von wegen Treue und so. Und da haben auch viele kirchlich geheiratet. Ist aber auch schöner, muss man schon sagen. Also bei der Treue in Taufering, da komm ich ganz gut weg. Bei den Nemeceks aus dem Amselweg, da sind beide untreu und sagen sich das auch noch. Sich und ihren Bekannten, mit denen sie untreu sind, und anderen auch noch. Wie mies ist das denn? Ich verrate niemandem, dass der Norbert mich anlügt. Das ist was ganz Besonderes, nur was zwischen uns beiden, nein, da kommt kein Wort über meine Lippen.
Am Anfang habe ich mich schon auch gefragt: Warum lügt er mich an? Er hat natürlich nur gelogen, wenn ich ihn gefragt habe, ob da was ist. Nach einiger Zeit habe ich mal aufgehört ihn zu fragen, aber das war ihm gar nicht recht. Wahrscheinlich hat er gedacht, ich schnüffle ihm nach und brauche nicht mehr zu fragen, weil ich alles von woandersher weiß. Das hat ihm nicht gefallen, also habe ich wieder angefangen zu fragen und das hat ihn dann beruhigt. Aber das ist auch so ein Punkt, wo ich mir nicht dreinreden lasse von wegen lügendes Mannschwein und so. Ich lüge ja auch! Ich frage ihn immer noch und immer wieder: »Hast du was mit anderen?«, obwohl ich es weiß. Das ist doch auch gelogen. Eine Frage, die gar keine Frage ist, weil man ja die Antwort schon weiß, und die man nur stellt, damit der andere bei seiner Antwort lügt, ist doch selbst eine Lüge!
Also bitte, ich steh nicht über dem Norbert. Im Gegenteil. Der Norbert hat einen guten Grund, warum er mich belügt: Er will was vor mir vertuschen. Und warum will er das? Weil ich ihm noch was bedeute, weil er mich liebt und will, dass ich ahnungslos glücklich bin. Also anders kann ich es mir nichterklären. Die Lüge ist der Beweis, dass ich ihm etwas bedeute. Würde ich ihm nichts mehr bedeuten, hätte er auch keinen Anlass, mich zu belügen. Dann könnte er ja sagen, du, ich treib’ es mit der und der, und was du davon hältst, ist mir scheißegal. Das sagt er aber nicht, also ist es ihm nicht scheißegal, was ich davon halte. Der Norbert will einfach, dass es mir gut geht. Und wenn der eigene Mann will, dass es einem gut geht, dann kann’s einem gar nicht besser gehen.
Bis auf die Angst, dass er nicht anruft. Obwohl die ja eigentlich auch zum Gutgehen gehört. Angst, dass er nicht anruft, habe ich ja gerade deshalb, weil er anruft. Angst kann man nur vor etwas haben, das noch nicht eingetreten ist. Kriegsangst ist, bevor der Krieg ausbricht, Verlustangst ist, bevor man etwas verliert, und Angst, dass er nicht anruft, ist eben, bevor er nicht mehr anruft. Also solange ich noch die Angst, dass er nicht
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