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Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt

Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt

Titel: Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Handschuhe gekauft.«
    Beppi rächte sich an eben diesen seinen Eltern, indem er eher wut- als mutwillig sein eigenes Leben zerstörte. Er war als zwölftes und letztes Kind eines Zimmermanns aus der Münchner Türkenstraße auf die Welt zu einem Paar gekommen, dem schon einige »Josefles« weggestorben waren und das deshalb das Gelübde leistete, dieses »Josefle«, wenn es durchkäme, dem Herrgott zu widmen. Josefle/Beppi kam durch und wurde deshalb in eine katholische Klosterschule gesteckt, wo ein Geistlicher aus ihm werden sollte. So hervorragend seine Noten auch waren, diese Perspektive erfüllte ihn dermaßen mit Horror, dass er kurz vor dem Abitur ausrastete, abhaute, nach Augsburg floh, sich bei der MAN als Hilfsarbeiter verdingte und dies den Rest seines Lebens blieb. In Augsburg lernte Beppi die Bauerstochter Afra kennen (benannt nach einer im 4. Jahrhundert zum Christentum bekehrten Hure aus Augsburg, die als Märtyrerin für ihren Glauben starb), eine fanatische Zeugin Jehovas. Deren Hass auf die katholische Kirche, der sie selbst früher einmal ebenso fanatisch angehört hatte und die sie, zu den »Zeugen« bekehrt, fürderhin nur noch als »Hure Babylons« bezeichnete, entflammte auch Beppi – in zweierlei Hinsicht. Er heiratete Afra und schloss sich den Zeugen Jehovas an.
    Beppi und Afra bekamen zwei Söhne: Siegfried, der später, wie man damals sagte, »im Feld blieb«, und den jüngeren Herbert, meinen Vater. 1917 geboren war er bei Hitlers Machtergreifung 16 Jahre alt, arbeitete als Schlosserlehrling ebenfalls bei der MAN und wusste die von Beppi geerbte Sturheit nichtals Waffe gegen sich, sondern als Treibsatz für seinen Traum einzusetzen. Um der heimischen geistigen und materiellen Armseligkeit zu entkommen, sah er nur einen Ausweg: Er wollte Schauspieler werden. Sein bisschen Lohn ging für den Schauspielunterricht drauf und die restliche Zeit, die ihm nach einer Sechstagewoche mit Zehnstundentagen blieb, auch. Die ungeheure, lebensprägende Energieleistung schien sich nach Jahren endlich auszuzahlen. Herbert bekam am Stadttheater Augsburg die ersten kleinen Rollen, Kammerdiener mit zwei Sätzen Text in ›Emilia Galotti‹, Tablett- oder Lanzen-tragende Rollen, nichts Großes, aber der übliche Anfang. Und statt Fabrikschweiß endlich der süße Duft von Kulissen! Doch dann kam der Krieg und wie so viele Träume hatte sich auch der meines Vaters dem Alptraum Hitler zu beugen. Polen, Frankreich, Italien, dazwischen immer wieder zurück in die Heimat zur kriegswichtigen MAN – und für ein paar Abende auf die Bretter, die meinem Vater nicht nur die Welt, sondern auch den Himmel bedeuteten.
    In meiner Kindheit hatte ich die Zeugen Jehovas als eine Art satzungstreuen, putzigen Spielzeugeisenbahnverein empfunden. Die Zeugen hielten sich so blöde an die Bibel, dass sie, wie meine Oma Afra, wussten – Zeugen wissen immer, sie glauben nicht –, dass nur 144 000 Menschen in den Himmel kommen (was die Millionen Zeugen Jehovas weltweit eigentlich zu transzendentalen Lottospielern macht), weil in der Offenbarung was von 12 mal 12 steht. Dass die Zwölf im Griechischen auch unendlich bedeuten kann, wussten Afra und Beppi nicht, wollten es auch nicht wissen, denn wenn Jehova »unendlich« gemeint hätte, hätte er dafür gesorgt, dass das so in der »Schrift«, wie sie das Neue Testament nannten, gestanden hätte. Jehovas Zeugen haben eine ganz konkrete Vorstellung vom Paradies. Eine etwas mondänere Großtante von mirwusste, dass sie nach der »Schlacht von Harmageddon«, in der der Teufel besiegt und anschließend das Gottesreich errichtet wird, ein Privatflugzeug nach Paris bekommen würde. Meine Oma Afra war da etwas bescheidener: Sie war sich sicher, dass auf sie im Paradies ein weinlaubumranktes Schrebergartenhäuschen warten würde, vor dem sie auf einer Bank dann die volle Ewigkeit absitzen werde. Bis zum Eintritt ins Paradies mussten die Zeugen aber fleißig Versammlungen besuchen und ihren Mitmenschen, so diese nicht »in der Wahrheit« lebten, durch Missionieren zuhause oder auf der Straße auf die Nerven gehen.
    Diese für gebeutelte Kreaturen tröstliche Enge war nicht die Welt meines Vaters. Mitten im Krieg wandte er sich ausdrücklich von der »Wahrheit« ab, was der erschütterte Beppi mit der Bemerkung kommentierte, es wäre ihm lieber gewesen, Herbert wäre vor diesem Schritt doch auch wie sein Bruder im Feld geblieben, aus seiner, Beppis, Sicht eine Liebeserklärung, denn nun

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