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Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt

Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt

Titel: Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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arthritische Verschlurfung jahrhundertelanger adliger Dekadenz, wie sie sich durchschnittliche Hochstapler antrainierten. Sein Gang, die Sprache seiner Hände, die ruppige Harmonie seiner Kopfbewegungen, all das wirkte wie nicht aufeinander abgestimmt und dadurch unverwechselbar. So bewegte sich nur einer, der die höchsten Kreise stets dort wusste, wo er sich bewegte.Seine Autos, seine Kunst der Konversation, vielleicht sogar sein Sex (ein Kapitel, das Anselm nie aufgeschlagen hat), all das gab nur schmückendes Beiwerk ab zu seiner hohen und – wie er mir später gestand – schwer erarbeiteten Kunst, sich in einem Raum zu bewegen. »Ich bin kein Safari-Typ«, hat er mir einmal erklärt, »im Freien schrumpfe ich zu einem Nichts, wie ein Vampir in der Sonne.«
    Dann verlor ich zwei Mal in Folge. Kleines Geld nur, aber am Roulettetisch wird auch der abgebrühteste Realist zum Abergläubischen. Ich spürte, dass mein Lauf einen Knick bekommen hatte. Also stand ich auf, stopfte mir meine reichlich verbliebenen Jetons in die Taschen und ging an die Bar, wo Anselm saß und mit einem trägen Standby-Blick auf etwas zu warten schien. Da die Bar sonst leer war, lud ich ihn in meiner Euphorie zu einem Drink ein. Er sah mich mit einer Abschätzigkeit an, die auf mich umso beklemmender wirkte, als er den Eindruck vermittelte, er müsse sich dabei noch bremsen. Ich orderte einen Redbreast und rechtfertigte mich bei Anselm, der sich mir an diesem Abend nicht vorstellte, für meine Aufdringlichkeit mit der Bemerkung, ich sei ein Schreiber und deshalb zu einer gewissen Kontaktfreudigkeit genötigt. Da Anselm nicht reagierte, witzelte ich, indem ich meine Taschen auf dem Tresen entleerte, vielleicht könne es aber, wenn das beim Roulette so weiterginge, mit der elenden Schreiberei bald ein Ende haben. Anselm blickte kurz auf den Berg Jetons und sagte: »Dieses Geld, Monsieur, macht nur einen kleinen Umweg.«
    Der Barmann brachte Anselm ein Glas mit etwas, das wie Milch aussah. Mit flüchtigem Kopfnicken, dem absoluten Minimum eines Dankes prostete Anselm mir zu.
    »Kann man denn vom Schreiben leben?«, wollte er beiläufigwissen. Der sanfte Wiener Zungenschlag gab seiner Stimme gerade so viel Eleganz wie der Cassis dem Kir.
    »Vom Schreiben gar nicht. Von dem, was man dafür bezahlt bekommt, kaum.«
    »Schreiben Sie Komödien?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Dacht’ ich mir. Versuchen Sie es erst gar nicht.«
    »Ich schreibe Dramen und lasse sie dann einige Jahre liegen.«
    »Nicht freiwillig, nehme ich an.«
    »Woody Allen hat mal gesagt, Komödie sei Tragödie plus Zeit.«
    Das saß. Ein kurzer Ruck ging durch Anselm, als müsse er jetzt einen Gang höher schalten.
    »Der ist gut. Den merke ich mir.«
    »Wofür?«
    »Woran schreiben Sie gerade?«
    »Weshalb fragen Sie?«
    »Weil ich wissen will, welche Antwort ich Ihnen geben soll.«
    »Über David Niven. Der hat hier drin mal gedreht.«
    »Diese Heiratsschwindler-Klamotte. Ich weiß. Fader Film. Ein paar nette Gags.«
    »Und was ist jetzt Ihre Antwort?«
    »Worauf?«
    »Wofür Sie sich den Spruch von Woody Allen merken wollen.«
    »Für mein Leben, Monsieur, für mein Leben. Manchmal findet man das Motto seines Lebens erst, wenn ein Großteil davon schon vorbei ist. Sie entschuldigen mich und verbindlichsten Dank für den Drink.«
    Ich hatte schon bei seinen letzten Sätzen bemerkt, dass Anselms Aufmerksamkeit von einer Dame beansprucht wurde,die zögerlich den
salle des jeux
betreten, sich unentschlossen umgeblickt und dann an dem schwach besetzten Tisch 2 Platz genommen hatte. Nach kurzem Blickkontakt mit dem Barmann verschwand Anselm in ihre Richtung. Ich hielt dem Barmann fragend Anselms leergetrunkenes Glas hin.
    »Milch, Monsieur«, sagte der Barmann. »In Antoines Alter muss man sich die Kapazität der Leber für die entscheidenden Momente reservieren.«
    Antoine – das war der erste
nom de guerre,
unter dem ich Anselm kennenlernte. Als Nachnamen hatte er Perrier gewählt, wie der Barmann mir verriet. »Damit die Damen auch beim
déjeuner
an ihn denken, wenn sie das Mineralwasser aus den grünen, bauchigen Fläschchen trinken. Antoine ist Perfektionist, weil die Dinge ihm zu entgleiten drohen.«
    Ich konnte an diesem Abend noch nicht ahnen, dass ich Zeuge eines der entscheidendsten Momente in Anselms Leben sein würde. Die Dame, die ich nicht weiter beachtet, deren Erscheinen aber Anselm an den Spieltisch gelockt hatte, kehrte mir einen Rücken zu, so grazil geschwungen,

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