Männerlügen - warum Frauen immer die Wahrheit wissen wollen und Männer behaupten, dass es die gar nicht gibt
sagte, es sei ja so gut, sich die Wahrheit gesagt zu haben. Lüge, reine Lüge.«
»So was hatte ich mir …«
»… und weißt du, wann ich dich das letzte Mal belogen habe? Gerade eben, Rainer, gerade eben. Mein Chef hat doch einen Abschiedsbrief hinterlassen.«
»Was steht drin?«
»Vieles an viele. An mich nur ein Satz, einer von Luther: ›Die Lüge ist wie ein Schneeball. Je länger man ihn wälzt, desto größer wird er.‹«
»Na super, dein Chef! Hilft mir jetzt gerade so wie ›Im Winter ist schlecht Kirschen essen‹!«
»Hilft DIR?«
Amelie sieht Rainer an, der aus dem Fenster starrt. Mit einem Ruck springt sie auf und rammt ihre Füße in ihre Joggingschuhe und rennt aus dem Haus und rennt und rennt.
Auch gut, dachte Rainer. Beinahe hätte er Amelie gestanden, dass er vorgestern mit einer Requisitenhilfe einen Quickie hingelegt hatte, seinen ersten, seit er mit Amelie zusammen war. Aber der Moment des Schweigens war zu kurz gewesen. Er hätte mehr Anlauf gebraucht. Andererseits: Sie beide hatten sich ja nur geschworen, ehrlich zueinander zu sein. Von treu sein keine Rede. Und trotzdem. Sie hatte gestanden, zuerst gelogen zu haben. Was wiegt nun schwerer, die Lüge oder die Aufrichtigkeit, sie zu gestehen?
Rainer kauert auf der Couch und bewegt sich keinen Millimeter, gerade so, als säße er auf einer Tretmine und könne mit jeder falschen Bewegung eine Explosion auslösen. Er reagiert auch nicht, als Amelies aufgeklappter Laptop klingelt. Jemand hat ihre morgendliche Laufleistung auf Facebook geliket.
JEDES VORSPIEL HAT EIN NACHSPIEL (2)
Nach dem Freitag mit der Unfallflucht ist das Stullenpaar nicht wieder bei Jenny aufgetaucht. P. hatte am Montag drauf abgesagt, sie kämen jetzt ohne Therapie klar, vielen Dank, war gut, das war’s. Ich fühlte mich mitschuldig. Vor allem an Jennys Frust, nun mit einer Reihe unbeantworteter Fragen leben zu müssen. Das machte sie rasend, schließlich hatte sie Psychologie studiert, um ein Ganovenwerkzeug in der Hand zu haben, mit dem sich jede verzwickte Frage knacken ließ. Meine Tollpatschigkeit hatte das zunichtegemacht. Deshalb ging ich auf Distanz zu Jenny.
Dann geschah Seltsames. Wochen später trieb ich mich in der Staatsbibliothek herum, um in Sachen Bosl zu recherchieren (Google hat ja noch nicht jedes Buch digitalisiert), und betrat mit einigen Wälzern unterm Arm den Lesesaal, als ich sie am Aufsichtstisch sitzen sah. Kein Zweifel: die C. vom Stullenpaar. Laut Kärtchen, das vor ihr stand, hieß sie Corinna Lemke. Also weder Hirtreither noch Breininger. Sie wollte meinen Leseausweis sehen. Sie starrte einige Zeit drauf. Hatte sie mich wiedererkannt? Das konnte nicht sein. Ich hatte bei unserer letzten Begegnung schließlich Overall und Vollhelm getragen. Sie blickte lächelnd hoch.
»Ihren Namen kenne ich. Haben Sie nicht diese Komödie mit dem Müllmann geschrieben, die vorgestern im Fernsehen lief?«
»Sie merken sich die Namen von Drehbuchautoren?«
»Na ja, ich schreibe selber so ein bisschen. Kein Wunder, wenn man sein Leben zwischen Büchern verbringt. Da merkt man sich dann schon den Namen von Leuten, die was geschrieben haben, das einem gefällt.«
»Danke fürs Kompliment. Aber Sie leben ja nicht nur zwischen Büchern. Oder, Frau Hirthreiter?«
Es dauerte zwei Sortiersekunden, bis sie antwortete: »Wer sind Sie?«
»Wie geht’s denn der Oma an der Dialyse und dem Opa im Rollstuhl?«
»Der Rollerfahrer?« Ich nickte. Sie lachte laut auf, was sich im Lesesaal nicht ziemte und böse Blicke generierte. »Haben Sie später Zeit?« Ich nickte wieder. »In zwei Stunden im CADU? Ich muss Ihnen was erzählen.«
»Warum gerade mir?«
»Schriftsteller sind wie Pfarrer, nur ohne Höllenandrohung. Man kann ihnen beichten, ohne gleich bereuen zu müssen.«
Zum ersten Mal bemerkte ich so was wie Neid oder Eifersucht bei Jenny, als ich ihr das alles noch am selben Abend bei einem Spaziergang im Englischen Garten erzählte. Aber ich war froh, meine Scharte auswetzen zu können. Nun würde Jenny all ihre Fragen beantwortet bekommen.
»Das CADU ist das Café an der Uni …«
»Kenn ich. Ein Studentencafé. Eigentlich nichts für euch.«
»Egal. Corinna erschien pünktlich nach zwei Stunden …«
»Ihr duzt euch schon?«
»Bequemlichkeit, Jenny. Ihr Vorname ist das Einzige, das sie nicht geändert hat. – Also: Corinna ist tatsächlich Bibliothekarin in der Stabi. Und sie ist verheiratet.«
»Mit Peter Hirthreiter, klar.«
»Eben
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