Männersache Rasieren - Handbuch für den Rasur-Aficionado (German Edition)
Schneidfähigkeit , wie gut eine Klinge tatsächlich schneidet. Das hängt nicht nur von deren Schärfe ab, sondern auch von anderen Faktoren wie der Mikrostruktur der Schneide, der Klingengeometrie und der Anwendung. Manche Messer werden nur drückend verwendet (zum Beispiel in einer Druckerei, um den Buchblock zu beschneiden), andere ziehend wie eine Säge (zum Beispiel ein Brotmesser). Rasiermesser und –klingen haben die Besonderheit, fast schabend [9] eingesetzt zu werden. Daher kann es sein, dass unter Praxisbedingungen eine geometrisch weniger scharfe Schneide besser schneidet als eine "schärfere".
Die Schnittqualität ist eng mit der Schneidfähigkeit verbunden. Die Schnittqualität gibt an, wie sauber der Schnitt ausgeführt wird: Ein glattes, scharfes Messer trennt das zu schneidende Material ohne weitere Zerstörung in zwei Teile, eine Säge trägt dagegen zusätzlich Material ab. Oft kann man durch eine (auch mikroskopische) Zahnung die Schneidfähigkeit im Praxiseinsatz deutlich erhöhen, nimmt damit aber eine geringere Schnittqualität in Kauf. Das ist der Grund, weshalb man auch mit vergleichsweise stumpfen aber gezahnten Messern gut sein Brötchen aufschneiden kann, weshalb es dann aber viele Krümel gibt, die bei einem scharfen, glatten Messer nicht angefallen wären.
Die eben kurz erwähnte Klingengeometrie beschreibt, in welche Form die Schneide geschliffen wurde und ist folglich – wie die Schärfe – eine rein geometrische Größe. Es gibt bei Messern verschiedene Grundformen, wie den Hohlschliff (bei dem die Schneide auf der einen oder auch beiden Seiten nach einem Kreissegment geschliffen wird). Auch bei Rasierklingen sind die Seiten der Schneide nicht einfach nur gerade, sondern können aus mehreren Teilen zusammengesetzt sein, die in verschiedenen Winkeln geschliffen wurden. Dadurch kann es durchaus sein, dass zwei Klingen anfangs exakt gleich scharf sind, aber sehr unterschiedlich wirken und sich auch unterschiedlich abnutzen, je nach Klingengeometrie.
Daraus ergibt sich der Begriff Schnitthaltigkeit (auch Schneidhaltigkeit ). Diese bezeichnet das Ausmaß, zu dem die Schneidfähigkeit einer Klinge beim Gebrauch erhalten bleibt. Sie hängt stark von der Klingengeometrie ab, aber auch vom Material der Klinge und dem Einsatzzweck.
Der Grat einer Schneide bezeichnet den Fall, in dem der vordere, feine Teil der Schneide leicht seitlich gegenüber der regulären Klingengeometrie abgebogen ist und damit seitlich hervorsteht. Es handelt sich damit um einen Sonderfall der Klingengeometrie. Der Grat kann sowohl beim Schärfen als auch beim Gebrauch der Schneide entstehen und gilt oft als störend, weil er die Schneidfähigkeit bei drückendem Gebrauch des Messers herabsetzt. Das Wetzen beim Metzger zum Beispiel dient dazu, den Grat zu entfernen. Da Rasiermesser und Klingen schabend eingesetzt werden, sind sie einer seitlichen Belastung ausgesetzt und neigen daher sehr stark zur Gratbildung. Allerdings gibt es hier die Theorie, dass ein Grat in die "richtige" Richtung beim Rasieren sogar vorteilhaft ist, weil er das Barthaar leichter erfasst (denn die Schneide ist ja dann gewissermaßen in die Richtung des Haares gebogen). Da man Rasierklingen nicht nachschärft (zumindest heute nicht mehr), spielt diese Frage nur noch an der Stelle eine Rolle, wenn es darum geht, die Klinge zu wenden (Seite 336 ).
Zur Abnutzung einer Schneide muss man wissen, dass das Stumpfwerden nicht gleichmäßig erfolgt, sondern dass zunächst an einzelnen Stellen mikroskopische Materialausbrüche entstehen. Diese führen zu einer mikroskopisch feinen Verzahnung auf der Schneide mit der bereits angesprochenen Wirkung, die Schnittqualität zu verringern. Beim Rasieren nimmt man sie in der Regel als "Aggressivität" wahr. Die Hersteller haben sich verschiedene Verfahren ausgedacht, die Wirkung dieser Mikroverzahnung abzuschwächen, angefangen von der Molekülstruktur des Stahls bis zu komplexen Verbundmaterialien.
Diese Erklärungen machen die zunächst seltsam erscheinde Tatsache plausibel, dass man nicht einfach in den Dimensionen scharf und stumpf denken darf. Das Hautgefühl wird von der Gesamtheit vieler Faktoren bestimmt. Das ist ähnlich wie der Schärfeeindruck eines Fotos: Dieser wird keineswegs allein durch die physikalisch messbare Größe der Auflösung definiert (gewissermaßen der technischen "Schärfe"), sondern viel eher durch Art und Verteilung des
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