Männersache Rasieren - Handbuch für den Rasur-Aficionado (German Edition)
Reinigungsaktionen werden allenfalls fällig, wenn man Opas alten Hobel aus dem feuchten Keller vom Rost der jahrzehntelang mitgelagerten Klinge befreien und anderweitig restaurieren will oder wenn man seinen Alltagshobel monatelang einfach achtlos ungesäubert gelassen hat.
Rasierklingen
Die Rasierklinge wurde von einem gewissen Herrn King Camp Gillette ersonnen und von dem brillianten Ingenieur William Nickerson so weit entwickelt, dass sie im Jahr 1903 auf den Markt kommen konnte und sagenhafte 168 Stück davon verkauft wurden (ein Jahr später waren es allerdings schon 123.000 Stück). Anfangs hatte sie ein Loch in der Mitte und zwei längliche Schlitze an den Enden, danach hatte sie drei Löcher, um in den Rasierer eingespannt werden zu können. Als der Patentschutz für diese Halterung auslief, versuchte Gillette sich vor Nachahmern zu schützen und entwickelte die Langlochhalterung, die erneut patentiert werden konnte (was wohl auch der Hauptgrund dafür sein dürfte, dass bei den modernen Systemen der Fusion nicht an die Griffe des Mach3 passt). Auf diese Weise entstand die seltsam altmodische Form der Rasierklingen, denn so passten die Gillette-Klingen auf die Rasierer der anderen Hersteller, nicht aber umgekehrt. Seitdem kamen und gingen andere Systeme, aber die alte doppelseitige Klinge blieb.
Deutschland war das einzige Land, in dem Gillette die Klinge nicht patentieren lassen konnte, weil es bereits Vorläufer gab, die einen Patentschutz unmöglich machten (man kann nur Neues patentieren). Daher hatte Gillette hier mit der Konkurrenz von zeitweise mehreren Hundert kleinen Firmen zu kämpfen, was aber nicht so schwer war, weil diese wegen mangelnder Größe keine technische Weiterentwicklung betreiben konnten und – infolge kleiner Produktionszahlen und hoher Handarbeitsanteile – keine gleichbleibend hohe Qualität garantieren konnten. Deshalb hatte Gillette auch völlig ohne Patentschutz ein Quasi-Monopol, und bis heute gibt es weltweit nur wenige Hersteller für Rasierklingen oder Rasierköpfe. Denn selbst in den einfach aussehenden traditionellen Klingen steckt eine Menge an Technologie. Gute Klingen entstehen aus einem Verbund von Materialien bis hin zu Keramik und speziellen Beschichtungen, bei denen früher gern auf die Herkunft aus der Raumfahrtechnik hingewiesen wurde.
Man bekommt eine leicht zu beschaffende, sehr gute Klinge für etwa 35 Cent pro Stück. Aber sei gewarnt. Auf der Suche nach der besten Klinge wirst du mehrere 100er Packs kaufen und dein Leben lang nicht aufbrauchen können. Du wirst dich mit historischen Klingen schneiden, weil sie trotz Originalverpackung stumpf sind und Rost ansetzen. Du wirst die technischen Besonderheiten der Stahlproduktion und der Veredelungstechniken erlernen und die Standorte der wichtigsten Produktionsstätten kennen. Denn schließlich gibt man sein Geld viel lieber für seltene Liebhaberstücke aus als für profane Allerweltsartikel im Supermarkt.
Schärfe
Schärfe ist ein scheinbar simpler Begriff, aber wenn man ihn ein wenig hinterfragt, dann wird er schnell komplex. Da wir nicht mit selbst zu schärfenden Messern arbeiten, brauchen wir nicht allzu tief einzusteigen, aber auch wir sollten mit den folgenden Begriffen und Zusammenhängen vertraut sein (alles hier Gesagte gilt übrigens ebenso für die Systemrasierer, die ja lediglich aus einer Kombination mehrerer Einzelklingen bestehen):
Die Schärfe ist ein rein geometrischer Begriff, der angibt, wie breit oder fein die Schneide einer Klinge zuläuft. Das ist zunächst einmal unabhängig davon, wie gut diese Klinge in der Praxis tatsächlich schneidet (obwohl die beiden Dinge natürlich eng zusammenhängen). Eine Klinge ist immer so aufgebaut, dass sie an der Schneide spitz zusammenläuft, eben "scharf" ist. Irgendwann hört dieses Zusammenlaufen allerdings auf, und es verbleibt eine gewisse Dicke der Schneide. Diese Dicke bezeichnet technisch gesehen die Schärfe. Bei scharfen Schneiden wird diese Dicke in der Regel durch die Molekülstruktur des verwendeten Materials bestimmt, denn die räumliche Ausdehnung der Schneidekante liegt im Mikrometerbereich. Sie ist so fein, dass sie unterhalb der Lichwellenlänge liegt und daher nicht unter einem normalen Mikroskop gesehen werden kann (man sieht lediglich einen schwarzen Rand). Erst ein Rasterelektronenmikroskop kann die feine Schneide sichbar machen.
Demgegenüber bezeichnet die
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