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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kunst prüft!« Dr. Pflüger sah sich um. Der Garten lag vor ihm, grell in der heißen Vormittagssonne. »Sie haben nicht zufällig Beißelmann im Garten gesehen?«
    »Nein, Herr Dozent.«
    »Ist auch nicht wichtig.« Er wandte sich wieder Inge Parth zu und sah auf ihre von dem blauweißen Rock bedeckten runden Knie. »Wie kommt es eigentlich, daß ich von Ihnen gar nichts weiß?« sagte er und holte eine Packung Zigaretten aus der Tasche. Er hielt sie Inge hin, aber sie schüttelte verblüfft den Kopf.
    »Rauchen ist im Dienst doch verboten, Herr Dozent.«
    »Aber Sie sind noch nicht im Dienst! Erst in einer Viertelstunde.«
    »Wer sich innerhalb des Krankenhauses befindet, ist immer im Dienst.«
    »… sagte der gestrenge Morus!« Dr. Pflüger lachte wieder sein Jungenlachen. »Kommen Sie, ich erlaube es Ihnen!«
    »Nein, danke.« Inge sah hinauf zu den Fenstern des Chefzimmers. Sie sah nicht Prof. Morus hinter der Gardine stehen, aber es war ihr, als seien die beiden großen Fenster wie zwei riesige Augen, die auf sie hinabstarrten.
    »Sie rauchen gar nicht?«
    »Doch. In meinem Zimmer.«
    »Dann sollten wir mal bei einer Zigarette ein Stündchen verplaudern.« Es klang ganz unverbindlich, aber in Inge Parths Augen kam ein fast kindliches Staunen.
    »Warum?« fragte sie aus diesem Staunen heraus.
    »Warum?« Dr. Pflüger brannte sich eine Zigarette an und spielte mit dem goldenen Feuerzeug. Er warf es in die Luft, fing es wieder auf und wiederholte dieses Spiel einige Male. »Ein großes Krankenhaus ist für viele eine Art Kaserne. Ein paar Mann befehlen, und eine Masse Anonymer gehorcht. Ich sehe es anders, Schwester Inge … ein Team, das Tag und Nacht gemeinsam arbeitet, wo sich einer auf den anderen verlassen muß, sollte sich auch persönlich, menschlich kennen.«
    »Das ist vernünftig«, sagte Inge ehrlich.
    »Wie lange sind Sie jetzt bei uns?«
    »Fast zwei Jahre.«
    »Sehen Sie mal an! So lange schon!« Dr. Pflüger sah aus den Augenwinkeln auf den Oberkörper Inge Parths. Wie blind man oft durch das Leben latscht, dachte er. Da lebt man zwei Jahre lang mit einem hübschen Mädchen unter einem Dach, fast Tür an Tür, und hat Scheuklappen getragen! »Und seit zwei Jahren ochsen Sie die Morusschen Fortbildungen?«
    »Ja.«
    »Darf ich jetzt fragen: Warum?«
    »Wir möchten später einmal ein Privatsanatorium aufmachen.«
    »Wer ist ›wir‹?«
    »Mein Freund und ich.«
    »Aha! Sie haben einen Freund?!«
    Inge Parth faltete die Hände im Schoß. Sie war ein wenig rot geworden; die letzte Frage Dr. Pflügers hatte fast tadelnd geklungen.
    »Ja«, sagte sie. »Wir wollen später heiraten. Und dann – aber das ist ein ganz großer Zukunftsroman –, wenn Peter seine Erfahrung hat, wollen wir das Sanatorium aufmachen.«
    »Hm.« Dr. Pflüger zerdrückte die Zigarette unter der vorderen Bankbohle. »Ihr Freund ist Kollege?«
    »Er studiert noch.«
    »Ach! Noch Studiker! Und schon greift er zu den Sternen?! Ein bißchen Phantast, der junge Mann, was?« Dr. Pflüger beugte sich zur Seite und legte die Hand auf Inges Arm. Die Wärme ihrer Haut, die Berührung ihres festen Fleisches, das Spüren ihres Lebens war in Dr. Pflüger wie eine Welle von Wärme und Lust. »Man sollte in unserem Metier nicht träumen, Schwester Inge. Die Außenwelt sieht unseren Beruf als etwas Mystisches an, der Arzt scheint so etwas wie ein Gottgeliebter … dabei ist es ein verdammt schwerer Beruf, wir wissen es doch! Wie stehen Sie denn bei Morus in der Kreide?«
    »Als mittelmäßige Schülerin.«
    Dr. Pflüger erhob sich. Auch Inge Parth stand auf; es wurde Zeit, ins Haus zu gehen, der weiße Schwarm der anderen Schwestern strebte bereits zum Eingang. Es war bekannt, daß Prof. Morus pünktlich war. Wer zu spät kam, blieb draußen, wie in der Oper, wo erst nach Aktschluß die Türen wieder geöffnet wurden.
    »Ich werde mal ein bißchen mit Ihnen üben«, sagte Dr. Pflüger.
    »Aber Herr Dozent!« Inge blieb stehen. Dr. Pflüger griff ungeniert ihren Arm und zog sie weiter.
    »Denken Sie an Ihr Sanatorium! Sie sollen einmal eine blendende Oberschwester sein.«
    Im Treppenhaus des Krankenhauses stand Paul Beißelmann und sah hinab in den Garten. Er verfolgte Dr. Pflüger und Schwester Inge, bis sie im Haus waren. Seine Finger öffneten und schlossen sich in einem pumpenähnlichen, langsamen Rhythmus. Dann lief er, lautlos wie immer, ins Schulzimmer und stellte sich neben das grauweiße, menschliche Skelett. Es war fast so groß wie

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