Männerstation
Frerich beim Aufsteigen, schob ein flaches Kissen unter ihren Nacken und schob den Rockbund mit einem Ruck etwas tiefer, daß der Nabel frei lag.
Evelyn preßte die Hände auf die kalte Tischplatte. Sie sah vor sich auf ihre zitternden Brüste, auf die der Röntgenapparat langsam herabschwebte. Sie wußte, daß ihre Fußspitzen zuckten, aber sie hatte keine Gewalt mehr über sie; es war ihr unmöglich, sie stillzuhalten.
Hinter ihr schmatzte wieder eine Tür. Die Schwester kam mit einer Kassette in Evelyns Blickfeld.
»Es ist alles soweit, Herr Doktor«, sagte die Schwester.
Über Evelyn fuhr ein Zucken. Sie biß die Zähne aufeinander und krallte die Nägel gegen die harte Tischplatte.
Er steht hinter mir, dachte sie und schloß die Augen. Er steht hinter mir. Er ist da … da … da …
»Frieren Sie, gnädige Frau?« fragte eine Stimme nahe hinter ihrem Kopf …
*
Unterdessen lag der Selbstmörder und kleine Buchhalter Karl Frerich in seinem Bett auf Zimmer 5 Männerstation III, und bekam seinen Verband gewechselt. Schwester Angela tat dies schnell und wortlos; sie tupfte die noch immer eiternde Wunde aus, streute Antibiotikapulver darüber und legte neue, saugfähige Zellwoll-Lagen auf den Einschuß.
Auch der Sonntagsunfaller Lukas Ambrosius wurde verbunden. Dazu war die OP-Schwester Innozenzia heraufgekommen. Sie kontrollierte den Sitz der Schiene. Erst wenn die großen Fleischwunden verheilt waren, konnte der Gipsverband angelegt werden. Solange war man auf eine richtige und ruhige Lage des Unterarmes auf der Schiene angewiesen.
Ambrosius sah Schwester Innozenzia mit leuchtenden Augen an. Obwohl er durch Beißelmanns Klistier einen bösen Sonntagnachmittag gehabt hatte, schien er sich auf der Männerstation III wohl zu fühlen. Trotz ständiger Rennerei zwischen Zimmer 5 und der Toilette hatte er seine Erkundungsgänge hinter sich gebracht. Er hatte die Teeküche besichtigt, den Waschraum, den Putzraum und kam sehr befriedigt ins Zimmer zurück.
»Ein schönes Krankenhaus!« sagte er zu den anderen und setzte sich auf die Bettkante. »Lauter nette Mädchen und Schwestern … hier kann man's aushalten!«
Nun saß er Schwester Innozenzia gegenüber und strahlte sie an. »Wie kann ein so nettes Mädchen wie Sie in ein Kloster gehen?« sagte er und unterdrückte einen Schmerzlaut, als die OP-Schwester ein wenig die Lage des Handgelenks korrigierte.
»Mensch, halt die Schnauze!« knurrte Ernst Brohl.
»Man kann doch wohl noch seine Ansicht kundtun!« Ambrosius sah auf die langen Wimpern Schwester Innozenzias, in das schmale Gesicht, das von der Haube umschlossen wurde, auf die schönen, rosa Lippen. Sie muß blonde Haare haben, dachte Ambrosius. Sie ist der Typ, um blond zu sein. Und jung ist sie noch. »Haben Sie blonde Haare?« fragte er.
Schwester Innozenzia schwieg. Sie umwickelte den Arm wieder mit Binden und vermied es, ihn anzusehen. Ambrosius ließ nicht locker. Von jeher hatte er sich gewünscht, einmal mit einer jungen, hübschen Schwester darüber zu sprechen. »Auch unter der Haube sind sie nicht aus Holz!« hatte er immer gesagt. »Gelübde hin, Gelübde her – Frau bleibt Frau und Mann bleibt Mann!«
»Ich kann es nicht begreifen, wie ein so hübsches Mädchen ins Kloster geht!« sagte er wieder. »Wirklich. Sie wissen ja selbst, wie schön Sie sind … und dann ewige Keuschheit. Wir sollten uns einmal über dieses Problem unterhalten.«
Schwester Innozenzia schwieg. In ihrem schmalen, hübschen Gesicht verzog sich kein Muskel. Sie verband den Arm, hakte das Mullende fest und ruckte noch einmal an der Schiene, ob sie fest saß. Lukas Ambrosius blickte sich um. Die anderen Männer sahen mit Schadenfreude zu ihm herüber. Was sie dachten, erkannte er an ihren Augen. Auch ein Casanova vom Dienst hat seine Grenzen.
»Warum so still, Schwesterchen?« Ambrosius hielt Innozenzias Hand fest, die seine Schlafanzugjacke zuknöpfte. »Wie alt sind Sie? Und warum sind Sie im Kloster?«
Schwester Innozenzia entzog ihm ihre Hand mit einem Ruck. Ihre Augen waren dunkel vor Zorn.
»Um vor Männern Ihres Schlages geschützt zu sein!« sagte sie laut.
»Bravo!« rief Ernst Brohl.
Innozenzia griff zu dem Tablett, das neben ihr auf dem Medikamentenwagen stand. Sie nahm aus einer Mullumhüllung eine vorbereitete Spritze und hielt sie hoch.
»Umdrehen!«
»Wieso?« Ambrosius' Gesicht wurde leicht rot. »Wohin?«
»Nach vorne bücken und Hose runter!«
»Wie bitte?«
»Fragen Sie nicht zuviel! Sie
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