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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gehabt.«
    »Mensch, Heinrich, red keinen Blödsinn«, sagte Staffner gepreßt. »Die brauchen dein Bett für 'nen schweren Neueingang, das ist alles! Ich besuche dich morgen.«
    »Schon gut, Staffner, schon gut.« Dormagen lächelte gequält. »Lebt wohl!«
    Als er über den Flur rollte, hielt er die Hand Ernas fest, die neben ihm ging. Von weitem schon sah er die offenstehende Tür des Einzelzimmers.
    »Wie sie alle lügen«, sagte er leise. »Siehst du nun, wie sie lügen …« Er schluckte und wandte den Kopf ab. »Es ist so schön, daß du bei mir bist … Man soll es nicht glauben … nach dreißig Jahren …«
    Im Zimmer nahm ihn Schwester Angela in Empfang. Vom geschrubbten Boden drang noch der Geruch des Zephirols empor. Es war ein kahles Zimmer, ohne Bilder, ohne Blumen. Nur ein großes Kreuz hing an der Wand. Heinrich Dormagen starrte es an, während Beißelmann und Schwester Angela ihn in das neue, in das letzte Bett hoben.
    Dann schrie er plötzlich wieder auf, mit weiten, entsetzten Augen. »Mein Bauch! Mein Bauch! Ich verbrenne! Gebt mir doch eine Spritze … bitte, bitte!«
    Sie war schon vorbereitet und lag auf dem kleinen Tisch neben dem Bett, in Zellstoff eingeschlagen. Schwester Angela gab sie ihm. Kurz darauf entspannten sich seine Züge, eine Wolke des Wohlbehagens trug ihn hinweg.
    Erna Dormagen saß vor ihm, die Hände gefaltet, und starrte ihn an.
    »Heinrich«, sagte sie leise. »O Heinrich … womit haben wir das verdient …?«
    *
    Marylin Fortyn schlief noch nicht, als Beißelmann vor ihr Bett trat. Der Schmerz in ihrer zertrümmerten Schulter war groß, aber nicht so unerträglich, daß sie nach einem Narkotikum verlangte. Mit erstaunten Augen sah sie den großen düsteren Mann an, der unhörbar vor ihr auftauchte, wie ein Geist, der aus der Erde emporgeschossen war.
    »Bitte?« fragte sie. »Was wollen Sie?«
    Beißelmann sah auf die schmale, kindliche Gestalt hinunter, auf die dick verbundene Schulter und den Arm, den sie nie wieder würde bewegen können. Der Kopf mit den schwarzen Haaren lag tief in dem Kissen. Große, dunkelbraune Augen musterten ihn.
    »Haben Sie große Schmerzen?« fragte Beißelmann.
    Marylin Fortyn hob die Augenbrauen. »Sie sind zu ertragen.« Sie musterte wieder den Mann in dem weißen Kittel. Eine unerklärliche Kälte ging von ihm aus. »Sind Sie Arzt?«
    »Nein. Ich pflege auf der Männerstation. Ich … ich kannte Doktor Sambaresi gut.«
    Marylin schloß einen Moment die Augen. Dann hatte sie die Beherrschung wiedergefunden. Beißelmann sprach langsam weiter.
    »Er war ein guter Kerl, nicht wahr?«
    »Ja. Er hatte so viele Pläne. Und er war begabt. Er hätte den Leuten in Tanganjika viel nützen können; wir haben kaum Ärzte dort. Noch immer heilen die Medizinmänner die Stämme mit Zaubersprüchen und Geisteraustreibungen. Wir hatten große Hoffnungen in Doktor Sambaresi gesetzt.«
    »Ich weiß.« Beißelmann nickte schwer. »Wie kommt man nach Tanganjika?«
    »Mit dem Schiff oder per Flugzeug.«
    »Ist es ein schönes Land?«
    »Wunderschön.«
    »Und die Menschen?«
    »Große Kinder, die beginnen, langsam selbständig zu laufen und ihre Welt zu erkennen.«
    »Sie lieben das Land?«
    »Ja.«
    »Dann muß es schön sein.« Beißelmann hob die Schultern. »Entschuldigen Sie … und gute Nacht.«
    Wie ein Schatten glitt er weg und ließ Marylin Fortyn mit einem Rätsel zurück.
    Dann zog er sich um und stieß beim Weggehen auf Schwester Angela, die zur Klausur gehen wollte. »Wohin denn?« fragte sie. »Sie haben doch Nachtdienst.«
    »Ich weiß. Schwester Inge vertritt mich für eine Stunde. Ich habe einen wichtigen Gang vor.«
    »Sie haben Nachtdienst, weiter nichts!« rief Schwester Angela. »Ist denn hier gar keine Ordnung mehr?!«
    Beißelmann schob sie zur Seite und ging fort. Mit der Straßenbahn fuhr er in die Stadt und ging langsam durch die Straßen. Vor einem großen Gebäude blieb er stehen und schaute zu den langen Fensterreihen hinauf. An der Toreinfahrt glänzte matt ein Bronzeschild.
    Polizeipräsidium.
    Beißelmann sah in die Einfahrt hinein. Links war die Wache. Durch ein Fenster fiel ein Lichtstrahl.
    Noch fünf Schritte, dachte Beißelmann. Nur noch fünf Schritte … und alles ist vorbei … So einfach ist das …
    Fünf Schritte … und man hat Ruhe vor den Menschen …
    Aus der Toreinfahrt kamen zwei Polizisten. Beißelmann trat etwas zurück und zündete sich eine Zigarette an. Das plötzliche Aufflammen des Streichholzes ließ die

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