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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und bückte sich, das Buch aufzuheben. »Sie können einen so erschrecken, daß man einen Herzschlag bekommt.«
    »Ich werde nächstens poltern wie der Klabautermann.« Beißelmann setzte sich auf die Tischkante, nahm den Roman aus Inges Händen, blätterte darin herum und legte ihn zur Seite. »Nichts Neues?«
    »Nein. Alles schläft. Gott sei Dank.«
    »Und Herr Dormagen?«
    »Seine Frau ist noch bei ihm. Doktor Bernfeld hat es erlaubt. Wir haben ein Sofa ins Zimmer gestellt. Sie wollte ihn nicht allein lassen.«
    »Und wie geht es ihm?«
    »Er ist unruhig.«
    In der Krankenhaussprache heißt unruhig, daß ein Patient in einer Krisis liegt. Ein Sterbender, der unruhig ist, hat die letzte Wegstrecke begonnen. Beißelmann stieß sich vom Tisch ab.
    »Ich gehe zu ihm. Wenn irgend etwas ist, rufen Sie mich.«
    »Sie sollten sich schlafen legen.« Schwester Inge griff wieder nach dem Buch. »Ich glaube, Sie haben die letzten vier Nächte nicht geschlafen.«
    »Was sind vier Nächte!« Beißelmann sah über das Häubchen der Schwester hinweg gegen die gekachelte Wand. »Ich habe einmal monatelang nicht schlafen können, ja, ich hatte Angst vor der Dunkelheit, ich zitterte vor dem Abend.« Er wischte sich über das Gesicht. »Vergessen Sie's, Inge … ich gehe zum kleinen Zimmer.«
    Erna Dormagen fuhr von dem Sofa hoch, als Beißelmann eintrat. Er winkte an der Tür schon, sich still zu verhalten, und kam zum Sofa hinüber. »Schläft er?« fragte er leise.
    »Ja, er schläft«, antwortete Frau Dormagen.
    Im Bett, das hinter einer weißbezogenen spanischen Wand stand, knarrte es leise.
    »Sie lügt«, sagte Heinrich Dormagen ächzend. »Ich schlafe nicht. Sind Sie es, Herr Beißelmann?«
    »Ja.«
    Beißelmann kam um die Wand herum. Erna Dormagen blieb auf dem Sofa sitzen, mit gefalteten Händen, als bete sie stumm. Ihre Augen waren groß und leer … sie hatte in den vergangenen Stunden leise vor sich hingeweint, nun war sie starr und wie ausgetrocknet. Wo die Tränen rinnen sollten, brannte es nur noch in den Augenwinkeln.
    Heinrich Dormagen hob mühsam die rechte Hand.
    »Haben Sie eine neue Spritze mitgebracht?«
    »Nein.«
    »Ich muß aber eine haben. Bald … ich spüre es schon wieder. Dieses Brennen im Leib … bis hinüber zum Rücken. Es ist fürchterlich … Und ich will doch nicht schreien … ich beherrsche mich, so gut es geht … aber wenn es dann kommt … wie Feuer ist das.«
    Beißelmann setzte sich auf die Bettkante. Das runde Gesicht Dormagens war eingefallen und spitz. Die Nasenspitze glänzte wächsern, wie poliert. Höchstens noch einen Tag, dachte Beißelmann und klopfte Dormagen auf die schlaffen Hände. Auch die Finger waren schon kalt, wie in Eiswasser gewaschen, dabei klebrig und von einer märchenhaften Zartheit.
    »Wir können nicht immer Morphium geben«, sagte Beißelmann gütig. Auf einmal war seine Stimme weder dumpf noch tonlos; sie klang plötzlich nach Wärme und Geborgenheit. Wie eine dunkle Glocke war sie, unter einem Himmel aus Samt schwingend. »Das Herz hält es sonst nicht aus.«
    »Das wäre doch gut …«
    »Aber Herr Dormagen!«
    »Beißelmann, warum belügen auch Sie mich?« Dormagens Gesicht wandte sich dem Krankenpfleger voll zu. »Ich habe doch Krebs, nicht wahr? Magenkrebs. Und es geht zu Ende, nicht wahr? Ich liege doch schon im Reisezimmer. Wenn man bereits Morphium spritzt und sonst nichts mehr tut, dann ist es doch weit genug. Bitte, belügen doch Sie mich nicht auch noch!«
    Beißelmann streichelte wieder die zart gewordenen, eiskalten Finger.
    »Das habe ich nie getan, Herr Dormagen.«
    »Ich habe Krebs?«
    »Ja …«
    »Und ich werde sterben?«
    »Ja …«
    Auf dem Sofa, hinter der weißen Wand klang ein lauter Seufzer auf. Dormagen wandte den Kopf, so weit er konnte, nach hinten.
    »Erna!« sagte er laut, aber mit schon brüchiger Stimme. »Es ist doch besser, wir wissen, was sein wird. Es ist doch nicht zu ändern.«
    »Nein, das ist es nicht«, sagte Beißelmann sanft.
    »Warum aber hat man nichts mit mir getan?«
    »Es war schon zu spät.«
    »Seit drei Jahren bin ich in ärztlicher Behandlung! Immer mit dem Magen! Und immer hat man gesagt: Es ist nervös! Und man hat mir Pillen und Tabletten verschrieben, Tinkturen und Wässerchen. Und nun ist es zu spät! Kann man denn mehr tun, als drei Jahre zum Arzt zu gehen? Was heißt hier: Man muß den Krebs früh erkennen! Wer kann ihn denn erkennen? Mein Arzt konnte es drei Jahre lang nicht, bis es zu spät war

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