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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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beiden Polizisten den Kopf wenden. Einer blieb stehen und sah Beißelmann von oben bis unten an. Die Musterung fiel neutral aus. Es war nichts Besonderes an Beißelmann.
    »Suchen Sie etwas?« fragte der Beamte und trat einen Schritt näher.
    Beißelmann warf das abgebrannte Streichholz hinter sich auf die Straße. Jetzt werde ich es sagen, dachte er. Jetzt werde ich sagen: Ich suche die Mordkommission. Ich habe jemanden umgebracht … nicht mit meinen eigenen Händen, sondern raffinierter, viel teuflischer … ich habe ihn betrunken gemacht, und er ist gegen eine Wand gerast, mit dem Auto … Ja, und Schlaftabletten habe ich ihm auch gegeben … er mußte einfach einen Unfall machen. Ganz genau habe ich mir das damals überlegt … Sehen Sie, so einer bin ich! Ein Mörder, der gar keiner ist und der doch einen Menschen auf dem Gewissen hat. Und ein verkrüppeltes Mädchen, ein unschuldiges Mädchen …
    Beißelmann hob den Kopf und sah den Polizisten an. Forschende, dunkle Augen, ein dienstliches, unpersönliches Gesicht; eines jener Gesichter, die Beißelmann zwölf Jahre lang im Gefängnis gesehen hatte, Tag und Nacht, ein Gesicht in einer Uniform, ein Teil von farbigem Tuch, mit runden Knöpfen, streng riechendem Koppelzeug und dem schwach blinkenden Schild einer Mütze.
    »Nein«, sagte Beißelmann halblaut. »Nein, ich suche nichts. Warum?«
    »Weil Sie hier vor der Einfahrt zum Präsidium stehen und nicht weiteigehen.«
    »Ich wollte nur eine Zigarette …« Beißelmann hob die glimmende Zigarette in Augenhöhe. »Nur anstecken wollte ich sie, Herr Wachtmeister. Im Windschatten.«
    »Gut. Dann gehen Sie weiter.«
    »Selbstverständlich!« Beißelmann setzte sich in Bewegung, langsam, tapsend. Der Polizist sah ihm nach, unschlüssig, ob der Mann betrunken sei oder ein Halbidiot.
    »Komm«, sagte der andere Beamte. »Der hat den Kanal voll. Wir kommen zu spät zur Ablösung …«
    Beißelmann blieb ein paar Schritte weiter stehen und lehnte sich an die Mauer des Polizeipräsidiums. Die Straße vor ihm war leer und halbdunkel. Die Schritte der beiden Polizisten verhallten in der fernen Dunkelheit. Mit nervösen Fingern führte Beißelmann die Zigarette zum Mund.
    Ein erbärmlicher, feiger Hund bin ich, dachte er. Wie schweinisch feige bin ich doch! Als ich ihn ansah, diesen Polizisten, sah ich ihn wieder, den Oberwachtmeister Franz Pullmann von Block III, wo die Lebenslänglichen ihre Zellen hatten. »Beißelmann«, hatte damals Pullmann gesagt. »Daß ich Sie so nenne, ist eine Auszeichnung. Eigentlich heißen sie nur Nummer 48.269. Aber es ist einfacher, Beißelmann zu sagen, denn ich habe noch viel mit Ihnen vor! Dem Gericht haben Sie ja vorgelogen, Sie hätten Ihre Frau und den Mann in einem Rausch ermordet … mir können Sie diese Märchen nicht erzählen! Ich kenne die Kerle Ihrer Sorte! Ich glaube, wir verstehen uns – und wenn nicht, dann werden Sie lernen, mich zu verstehen! Fangen wir einmal damit an, daß wir die Lokusse ausfegen …«
    Nachher, nach einigen Jahren, waren sie fast Freunde geworden, der Oberwachtmeister Pullmann und der Krankenpfleger Beißelmann. Eine Haßliebe verband sie miteinander, die so weit ging, daß Pullmann mit Beißelmann den Kuchen teilte, den seine Frau gebacken hatte, und ihn nachher in den Garten jagte und schrie: »Unkraut zupfen! Wer frißt, soll auch arbeiten!«
    Dieses Gesicht tauchte wieder auf, als Beißelmann in die Augen des Polizisten geblickt hatte. Und es war wie ein Krampf in ihm, der ihn feige werden ließ.
    Noch einmal sah Beißelmann an der Fassade des Polizeipräsidiums empor. Einige leuchtende Fenster, aus einem offenen Fenster Radiomusik und das vergnügte Pfeifen eines Mannes, der Freude an der Musik hatte, aber die Melodie falsch pfiff. Noch einmal ging Beißelmann zu der großen Toreinfahrt zurück, sah hinein, blickte auf das Fenster der Wache … dann warf er die Zigarette weg, zertrat sie mit einer malmenden Fußdrehung und ging dann weiter, zurück zur Straßenbahn. Das letzte Stück bis zur Haltestelle lief er fast, als fliehe er vor dem Haus, hinter dessen Toreinfahrt das lag, wonach er sich sehnte. Ruhe und Einsamkeit.
    Auf der Männerstation III war alles still, als Beißelmann zurückkehrte. Schwester Inge saß in der Teeküche und las in einem Roman. Sie schrak zusammen, als Beißelmann sie leicht an der Schulter berührte, stieß einen leisen Schrei aus und ließ das Buch fallen.
    »Warum müssen Sie immer so unhörbar kommen!« rief sie

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