Männerstation
Lehrstuhl für Chirurgie?«
»Den stelle ich zur Verfügung.«
»Das wird einen neuen Skandal geben.«
»Gar keinen wird es geben. Im Rahmen einer kleinen Pressenotiz wird es in einer einzigen Zeile heißen: Als Leiter des neuen Krankenhauses wurde Prof. Morus berufen … Weiter nichts. Vielleicht läßt man sogar das weg!«
»Ihr Entschluß steht also fest?«
»Ganz fest.«
»Dann werde ich morgen sofort alle verantwortlichen Stellen mobil machen!«
»Warum? Wollen Sie sich auch in die Nesseln setzen? Die sind doch froh, daß ich gehe! Der Ausdruck: ›Ruhe ist die erste Bürgerpflicht‹ wird in Deutschland von jeher falsch interpretiert! Hier heißt Ruhe soviel wie In-Ruhe-gelassen-werden! Warum die Aufregung, lieber Doktor Berg? Es wird ein neuer Chefarzt kommen, und auch der wird meckern, wenn er Charakter hat. Und so wird man sich von Chefarzt zu Chefarzt durchlavieren … das ist auch eine Taktik, den Status quo zu erhalten.«
Als Dr. Berg spät am Abend nach Hause fuhr, hatte er das Empfinden, trotz guten Weines stocknüchtern zu sein.
Wie verbittert ist dieser Mann, dachte er erschüttert. Und welch ein Arzt ist er, welch ein Chirurg!
*
Margot Staffner erschien eine Woche nach ihrer Aussprache mit Dr. Pflüger wieder im Arbeitszimmer des Oberarztes. Sie war von einer deutlichen Kälte und einer mühsam unterdrückten Tatbereitschaft.
»Du hast es ihm noch nicht gesagt!« rief sie, ehe Dr. Pflüger sie mit nichtigen charmanten Worten begrüßen konnte. »Ich war eben bei ihm. Er weiß von nichts! Er freut sich darauf, daß er in vier Tagen entlassen wird! ›Fünf Wochen ohne dich‹, hat er vorhin gesagt. Es hat mich vor Ekel geschüttelt. Warum hast du bisher noch nicht …«
»Wenn du wüßtest, was hier los ist.« Dr. Pflüger steckte sich eine Zigarette an. »Der Chef geht, die Schwestern haben sich in einer Eingabe über die Oberin beschwert, der Krankenpfleger Beißelmann spielt mir gegenüber verrückt – ich habe den Kopf so voll, Liebes …«
»Dumme Ausreden! Es genügen ein paar Worte zu Hieronymus, bei einer Visite.«
»Unmöglich!«
»Was heißt unmöglich?«
»So etwas kann man doch nicht abtun wie das Abreißen eines Heftpflasters. Schließlich war dein Mann neunzehn Jahre lang mit dir verheiratet.«
»Das fällt dir jetzt erst ein?« Margot Staffners Gesicht war bleich und maskenhaft. »Du bist ein Feigling.«
»Erlaube mal!« Dr. Pflüger zerdrückte die Zigarette. »In einem solchen Ton …«
»Ein erbärmlicher Feigling bist du!« schrie Margot Staffner. »Soll ich dir wiederholen, was du zu mir gesagt hast, ehe du das bekamst, was du haben wolltest? Ich habe es mir Wort für Wort gemerkt. Eine Frau in meinem Alter betrachtet die Worte eines Mannes nicht als unverbindliche Schwärmerei …«
»Vielleicht war das ein Fehler«, sagte Dr. Pflüger kalt.
Durch Margot Staffner zuckte es wie ein Schlag.
»Was heißt das?«
»Man sagt vieles, wenn man …«
»Aha!« Ihre schrill werdende Stimme unterbrach ihn. »Sag es doch, sprich es aus: Du denkst gar nicht daran, mich zu heiraten! Du willst gar nicht, daß ich mich von meinem Mann trenne!«
»Wer so gut wie du die Lage übersieht, sollte nicht so viele Fragen stellen, die man selbst beantworten kann.«
»Also nein!«
»Nein!«
Sie standen sich gegenüber und sahen sich stumm an. Kalt, abweisend, fast stolz der Arzt im weißen Kittel. Haßerfüllt, von einem inneren Zittern überzogen, die schöne, leidenschaftliche Frau.
»Ich kann dich vernichten«, sagte sie heiser.
»Wohl kaum. Ich nehme eine Dozentenstelle in Norddeutschland an.«
»Du verläßt die Stadt?«
»Mit Beginn des Wintersemesters.«
»Du bist ein Lump. Weißt du das? Du bist ein erbärmlicher Schuft.«
»Das sind Worte einer enttäuschten, alternden Frau.«
Dr. Pflüger lächelte. Er sah auf Margot Staffner hinab wie auf ein Strichmädchen, das über den ausgemachten Lohn noch um eine Sonderzulage von fünfzig Mark bettelt. »Bitte geh jetzt. Ich habe in einer halben Stunde eine Operation und muß mich vorbereiten.«
Margot Staffner blieb stehen. Mit großen, starren Augen sah sie Dr. Pflüger an. Er wich diesem Blick aus, als verursache er ihm körperliche Schmerzen, und ging zum Fenster. »Geh jetzt«, sagte er noch einmal und drehte ihr den Rücken zu.
»Ich gehe.« Margot Staffners Stimme war ganz ruhig. »Kennst du das, Werner? Mein Mann hat es einmal heimlich gekauft und immer gepflegt und geölt …«
Dr. Pflüger fuhr herum. Das
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