Männerstation
letzte Wort war wie eine Explosion. Margot Staffner stand an der Tür, in der Hand eine schwarze, drohende Pistole. Der Lauf zeigte auf Dr. Pflüger, eine runde Mündung, in der der Tod lag.
»Margot! Um Gottes willen, tu das Ding weg!« sagte Dr. Pflüger heiser. »Wenn es losgeht …«
»Es soll losgehen.«
»Du bist verrückt, Margot.« Er wollte zu ihr gehen, aber sie hob die Pistole höher.
»Bleib stehen, wo du bist!« sagte sie hart. Er blieb am Fenster, mit hängenden Armen und zuckendem Adamsapfel.
»Überleg doch mal den Wahnsinn!« sagte er mit mühsam fester Stimme. »Was kommt denn dabei heraus? So löst man doch keine Probleme!«
»Du bist wert, erschossen zu werden!« sagte sie völlig leidenschaftslos, so als führe sie eine normale Konversation. »Soll ich dich daran erinnern, wie es damals gewesen ist, wie ich mich gegen dich gewehrt habe, wie du mich mit Gewalt zu deiner Geliebten machtest, hier in diesem Zimmer, hinter dieser verschlossenen Tür?«
Dr. Pflüger trommelte mit den Fingern an seine Oberschenkel. Er überlegte, wie man die Pistole aus Margots Hand entfernen könnte. Man muß sie ablenken, dachte er. Man muß sie mit Worten ablenken. Man muß Zeit gewinnen. In ein paar Minuten wird Dr. Bernfeld ins Zimmer kommen, um die Operation durchzusprechen. Nur ein paar Minuten noch.
»Das war der Anfang«, sagte er und lächelte sogar, wenn auch etwas verzerrt. »Aber später warst du anders.«
Margot Staffners Gesicht wurde weiß, blutleer. Sie hob die Pistole in Augenhöhe und zielte auf Doktor Pflüger.
»Margot!« schrie Dr. Pflüger. »Margot! Laß doch mit dir reden. Ich will …«
Der Schuß peitschte hell durch das große Zimmer. An dem Kopf Dr. Pflügers vorbei zischte die Kugel in die Wand, wenige Zentimeter neben dem Fenster. Mit einem verzweifelten Sprung stürzte der Arzt vorwärts … noch einmal krachte ein Schuß, aber die Pistole war nicht auf ihn gerichtet, sondern Margot Staffner hatte sie an ihr Herz gedrückt. Als Dr. Pflüger sie erreichte, sank sie gerade um, fiel nach vorn auf den Teppich und auf das Gesicht, und die Pistole schlitterte über das versiegelte Parkett zum Schreibtisch hin.
Die Tür zum Nebenzimmer, dem Sekretariat, wurde aufgerissen. Zwei entsetzte Mädchenköpfe fuhren zurück, als sie die Frau auf dem Boden liegen sahen und das verzerrte Gesicht des Oberarztes, der über ihr stand.
»Raus!« brüllte Dr. Pflüger. »Raus!«
Dann stürzte er zum Telefon und rief den OP an. Er schellte Dr. Bernfeld herbei, hob Margot Staffner vom Boden, trug sie zu dem Ledersofa und entkleidete sie. Der Einschuß unterhalb der Brust war nur ein kleines, rauchgeschwärztes Loch, aus dem wenig Blut sickerte. Ein Ausschuß im Rücken war nicht vorhanden. Das Projektil stak im Innern des Körpers. Dr. Pflüger stürzte zurück zum Telefon.
»Röntgen sofort räumen!« schrie er. »Ein Wagen zu mir! Durchgeben zum OP I, Blutkonserven bereitstellen. Vorbereitung zur Eröffnung des Brustkorbes …«
Dr. Bernfeld stürzte in das Zimmer. Ihm folgte Beißelmann, einen Wagen vor sich herschiebend. Dr. Pflüger fuhr auf ihn zu.
»Wer hat denn Sie gerufen?« brüllte er.
»Ich habe ihn mitgebracht«, sagte Dr. Bernfeld ruhig. Er beugte sich über die besinnungslose Frau Staffner. Auch Beißelmann erfaßte mit einem Blick, was geschehen war. Dr. Pflüger sah ihn mit zusammengekniffenen Lippen an. Aber Beißelmann schwieg, und es war das erstemal, daß Dr. Pflüger aufatmete, wenn Beißelmann in der Nähe war.
»Wie ist das denn passiert?« fragte Dr. Bernfeld und richtete sich auf.
»Ein Anfall von Schwermut, nehme ich an.« Dr. Pflüger hob mit Beißelmann und Bernfeld den Körper auf das fahrbare Bett, und der Krankenpfleger deckte Margot Staffners nackten Oberkörper mit zwei weißen, flauschigen Decken zu. Vorher hatte Dr. Bernfeld einige Lagen Zellstoff auf den Einschuß gelegt. »Ist das Röntgenzimmer frei?«
»Kollege Budde hat sofort alles räumen lassen.«
»Dann los! Wir haben bei diesen inneren Blutungen verdammt wenig Zeit.«
Mit dem Aufzug schwebte Margot Staffner hinab zum Röntgenraum. Wenige Minuten später lag sie auf dem OP-Tisch, bereit zur Narkose, unter der man den Brustraum, das Herz und die Lunge freilegen kann. Vom OP II kam Prof. Dr. Morus hinüber … während einer Unfalloperation hatte man ihm einen Zettel vor die Augen gehalten. In OP I eine Selbstmörderin. Herzschuß. Verletzung der linken Herzkammer im unteren Drittel. Projektil als
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