Männertaxi: Eine turbulente Komödie (German Edition)
raushängen lassen. Du kennst mich ja: Hey, was kostet die Welt? Ich erfüll dir alle Träume, denn ich bin der tollste Hecht, den dieses Universum je gesehen hat. Es gibt Frauen, die finden das toll, und es gibt Frauen, die bringe ich damit zum Lachen. Aber bei Jessica war das anders.«
Meine Handflächen werden feucht.
»Nachdem ich mit meinem ganzen Quatsch fertig war, fing sie an zu reden. Ihr erster Satz war: Ich bin schwerkrank und könnte schon sehr bald sterben. Einfach so, Isa. Sie sagte es, als würde sie mir ihren Namen nennen oder sich noch ein Glas Mineralwasser bestellen. Ich saß da und konnte überhaupt nichts mehr sagen. Auf der einen Seite wirkte sie so ungemein selbstbewusst und bestimmt, aber dahinter habe ich gemerkt, wie klein und verletzlich sie sich gefühlt haben muss. Weißt du«, er räuspert sich, »sie hatte schon einmal Krebs, vor drei Jahren. Damals hieß es, dass die Behandlung gut angeschlagen hätte und sie geheilt sei. Aber vorgestern hat sie eine neue Diagnose bekommen. Es … es geht alles von vorne für sie los mit der Leukämie und der Behandlung. Kannst du dir das vorstellen?«
Ich schüttle leicht den Kopf. »Und weiter?«
»Dann hat sie mir von diesem … von diesem Schwein erzählt!« Sven wird rot im Gesicht, und die Wut blitzt aus seinen Augen. »Isa, ihr Freund hat sie damals verlassen, nachdem er die Diagnose hörte! Ihr ging es schlecht, sie ging zum Arzt, sie bekam ein paar Tage später die Diagnose, erzählte alles ihrem Freund, und was macht der? Macht sich aus dem Staub! Er hätte nicht die Kraft, das mit ihr durchzustehen. Er, Isa! So hat er ihr das gesagt: Er hätte nicht die Kraft!«
Sven hat Tränen in den Augen, und ich drücke ihn sanft an mich. O mein Gott, wie verkehrt kann diese Welt eigentlich sein?
»Jessica sagte, dass es ihr erst mal total beschissen ging und dass ja auch direkt die Behandlung anfing. Chemo und der ganze Mist. Aber während sie redete, hat sie sich zu keiner Zeit selbst bemitleidet oder gejammert. Sie wirkte so unheimlich stark auf mich, während ich immer kleiner wurde. Ich kam mir selten im Leben so dermaßen dämlich vor, Isa.« Ich reiche ihm ein Papiertaschentuch, er nimmt es, schneuzt sich die Nase und erzählt dann weiter.
»Sie hat das damals alles allein durchgestanden. Natürlich hat sie ein paar Freundinnen und ihre Mutter, aber sie sagt, ihr hat die ganze Zeit ein Mann gefehlt. Und wie das so ist im Leben: Als es ihr wieder besserging, hat sie erst einmal auf der Überholspur leben wollen. Sie ist viel gereist, sie hat ein Jahr in Australien verbracht, sie ist keine Kompromisse mehr eingegangen. Es gab da wohl auch ein paar Männer, aber sie ist nie lange bei einem geblieben. Deswegen hat sie auch die Idee gehabt, beim Männertaxi zu bestellen: Sie will einfach alles ausprobieren, was es gibt.«
Mir schnürt sich der Hals zu, und ich kriege inzwischen kein Wort mehr raus.
»Sie hat letzte Woche schon erwähnt, dass es ihr nicht gutgeht und sie sich bei ihrem Arzt durchchecken lassen muss. Und dann bekommt sie diese Diagnose!«
»Und jetzt?«, frage ich mit belegter Stimme.
»Sie sagt, sie will das nicht noch einmal alleine durchmachen. Sie will jemanden, der ihr guttut. Sie möchte das Gefühl haben, ein Mensch aus Fleisch und Blut zu sein, eine richtige Frau und nicht nur ein mit Chemie vollgepumptes Opfer der Umstände.«
Ich sehe ihn hilflos an. »Braucht sie nicht vielleicht eher einen Pfleger?«
Sven schüttelt heftig den Kopf. »Das gerade nicht. Sie möchte Nähe und …« Er sucht nach dem richtigen Wort. »Körperwärme. Sie sagt, dass Zärtlichkeit und Sex das beste Antidepressivum wären, das sie momentan zu sich nehmen könnte. Aber sie will keinen Mann, um den sie sich ihrerseits Sorgen machen muss. Keinen, der an ihr hängt und darunter leidet, dass es ihr nicht gutgeht. Und wo findet man so einen Mann – natürlich beim Männertaxi. Sie hat gesagt: Du bist so voller Leben, Sven, und davon hätte ich gerne etwas ab, wenn du bereit bist, es mir zu geben.« Sven guckt mich mit verheulten Augen an.
»Mich hat das so fertiggemacht, Isa. Jessica ist so tapfer, so stark, so klug. Und ich habe keine Ahnung davon gehabt und den Clown gegeben wie immer. Ich kam mir auf einmal so klein, nichtig, schäbig und verlogen vor.«
Oh ja, das kann ich gut verstehen. Denn ich empfinde gerade ähnlich. Ich hadere seit Wochen mit meinem Liebeskummer und damit, dass ich den falschen Männern hinterherlaufe, ich
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