Märchen aus 1001 Nacht
trauern.â Nach längerem Schweigen sagte ich zu ihr: âTue nach deinem Belieben, ich werde dich nicht hindern.â Darauf verbrachte sie ein ganzes Jahr mit Weinen und Trauern und sagte dann nach Ablauf des Jahres zu mir: âIch möchte mir in deinem Schlosse ein Mausoleum errichten, um dort in stiller Zurückgezogenheit zu trauern und will es das Trauerhaus benennen.â Ich antwortete ihr: âTue, was dir beliebt.â Darauf baute sie sich ein Trauerhaus mit einer Kuppel und einem Grabgewölbe und lieà den Sklaven daselbst hinunterschaffen, der sehr schwach war und ihr von keinem Nutzen mehr sein konnte, obwohl er noch Getränke zu sich nahm und seit dem Tage, da ich ihn verwundet hatte, nicht mehr sprechen konnte, sondern nur lebte, weil seine Zeit noch nicht abgelaufen war. Jeden Tag ging sie nun in der Frühe und des Abends zu ihm ins Mausoleum, um bei ihm zu weinen und zu trauern und brachte ihm Getränke und Suppen bis zum Ablauf des zweiten Jahres, ohne dass ich es ihr in meiner Langmut wehrte. Eines Tages aber ging ich ihr unbemerkt nach und fand sie, wie sie sich unter Tränen das Gesicht schlug und laute Wehklagen ertönen lieÃ.
Als sie einhielt, sprach ich zu ihr, in der Hand das entblöÃte Schwert: âDas sind die Worte treuloser Weiber, welche rechtmäÃigen Umgang und Verkehr verschmähen und verabscheuenâ und wollte sie niederschlagen. Wie ich aber das Schwert hob, sprang sie auf, da sie nunmehr wusste, dass ich den Sklaven verwundet hatte, sprach etwas, das ich nicht verstand und rief dann: âAllah verwandle dich durch meinen Zauber zur Hälfte zu Steinâ, worauf ich so wurde, wie du mich siehst, dass ich nicht stehe und nicht liege, nicht tot bin und nicht lebe. Hierauf verzauberte sie die ganze Stadt mit ihren StraÃen und Feldern zu einem See und ihre Bevölkerung, die aus vier Zünften bestand, nämlich Moslems, Christen, Juden und Magiern, zu Fischen, sodass die Moslems zu weiÃen, die Magier zu roten, die Christen zu blauen und die Juden zu gelben Fischen wurden und die vier Inseln zu vier Bergen um den See. Jeden Tag gibt sie mir seit jener Zeit mit einer GeiÃel aus Riemen hundert Schläge, bis mir das Blut nieder rieselt und bekleidet darauf meinen Oberkörper unter diesen Gewändern mit einem eisernen Hemd.
Nach dieser Erzählung hob der junge Mann wieder zu weinen und stöhnen an. Hierauf sprach der König zu ihm: âdu hast meinen Kummer vermehrt; doch sag an, wo ist jenes Weib?â Er antwortete: âIn jenem Mausoleum, in dem der Sklave liegt. Jeden Tag in der Morgenfrühe, bevor sie ihn besucht, kommt sie zu mir und verabfolgt mir mit der GeiÃel hundert Schläge, nachdem sie mich entblöÃt hat. Ich schreie und weine, kann mich jedoch nicht regen, um sie von mir abzuwehren. Nach meiner Züchtigung bringt sie dann dem Sklaven Getränke und Brühen.â Der König antwortete darauf: âBei Allah, junger Mann, ich will dir einen Freundschaftsdienst erweisen, der mein Gedächtnis fortpflanzen soll und eine Gefälligkeit, welche man in spätere Chroniken eintragen wird.â Alsdann setzte sich der König und unterhielt sich mit ihm bis zur Nacht. Dann stand er auf und wartete, bis das Morgengrauen anbrach, worauf er seine Kleider ablegte, sein Schwert umschnallte und zu dem Ort ging, an welchem sich der Sklave befand. Er sah dort die Kerzen und Lampen, das Räucherwerk und die Salben, schritt jedoch geradewegs auf den Sklaven los und hieb ihn nieder. Darauf lud er ihn auf seinen Rücken und warf ihn in einen Brunnen im Schlosshof Dann stieg er wieder in das Gewölbe hinunter und legte sich die Sachen des Sklaven an, das blanke Schwert zur Seite. Nach einer Weile kam die buhlerische Zauberin, entkleidete ihren Vetter und geiÃelte ihn. Der König hörte, wie er schrie: âAch, lass dir an meinem Zustand genügen, hab Erbarmen mit mir!â Sie aber entgegnete ihm: âHast du etwa mit mir Erbarmen gehabt und meinen Geliebten verschont?â Nachdem sie ihm dann das eiserne Hemd und darüber die leinenen Kleider angezogen hatte, stieg sie mit einem Becher voll Wein und einer Schale Suppe zu dem Sklaven ins Mausoleum hinunter und rief unter Weinen und Wehklagen: âAch, mein Herr, sprich doch zu mir, ach, mein Herr, rede doch! Wie lange noch dieses Abwenden und diese Grausamkeit? Ist nicht die Qual meiner Liebe schon groÃ
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