Märchen aus 1001 Nacht
mitten um den Leib und band mich fest an die FüÃe des Vogels, indem ich bei mir sprach: Vielleicht wird er mich in ein Land mit Städten und Bewohnern tragen, was besser sein wird, als dass ich hier auf dieser Insel sitze. Aus Furcht, dass ich einschlafen und der Vogel, ohne dass ich es merkte, mit mir fortfliegen könnte, brachte ich die Nacht über wach zu; als nun aber das Frührot aufstieg und der Morgen anbrach, erhob sich der Vogel mit einem gewaltigen Schrei von dem Ei und stieg mit mir so hoch in die Luft empor, dass ich schon glaubte, er hätte die Wolken am Himmel erreicht; alsdann lieà er sich langsam mit mir zur Erde nieder, bis er sich auf die Spitze eines hohen Berges setzte. Sobald ich den Boden erreicht hatte, löste ich schnell, vor Ãngsten zitternd, wiewohl der Vogel nichts von mir merkte, meinen Turban von seinen FüÃen und machte mich aus dem Staube. Der Vogel aber packte nun etwas auf dem Boden der Erde mit seinen Klauen und stieg zu den Wolken des Himmels empor; und wie ich den Gegenstand ins Auge fasste, sah ich, dass es eine Schlange von ungeheurer Länge und mächtigem Leibesumfang war, mit welcher er zum Meere flog.
Verwundert hierüber schritt ich weiter und gewahrte, dass ich mich auf einer Anhöhe befand, zu deren FüÃen sich ein groÃes, breites und tiefes Tal ausdehnte, welches von einem ungeheuren, hoch in die Luft ragenden Gebirge flankiert wurde, dessen Gipfel wegen ihrer unermesslichen Höhe niemand mit seinem Auge erreichen konnte, geschweige denn, dass jemand imstande war, sie zu erklimmen. Bei diesem Anblick machte ich mir über mein Unterfangen Vorwürfe und sprach: âAch, wäre ich doch auf der Insel geblieben; sie war besser als dieser wüste Ort, da es doch auf ihr mancherlei Früchte zu essen und auch Wasser aus Bächen zu trinken gab; an diesem Ort aber gibt es weder Bäume noch Früchte noch Flüsse. Es gibt keine Macht und keine Kraft auÃer bei Allah, dem Hohen und Erhabenen! Sooft ich aus einer Drangsal errettet werde, stürze ich in eine neue gröÃere und schlimmere.â Hierauf erhob ich mich und wanderte, meine Seele stärkend, in jenes Tal, wobei ich fand, dass sein Boden aus Diamanten bestand, jenem Steine, mit welchem man Minerale, Edelsteine, Porzellan und den Onyx durchbohrt, da er ein harter und spröder Stein ist, in welchen weder Eisen noch Felsgestein einen Eindruck macht und von dem wir weder etwas abschneiden noch abbrechen können, es sei denn mit Hilfe des Bleisteins. Das ganze Tal wimmelte von Schlangen und Vipern, von denen eine jede so lang wie ein Palmbaum war, dass sie wegen ihrer GröÃe einen Elefanten hätten verschlucken können. Jene Schlangen kamen nur des Nachts zum Vorschein, während sie sich am Tage vor dem Vogel Roch und vor Adlern versteckten, aus Furcht, von ihnen gepackt und zerrissen zu werden. Voll Reue über mein Unterfangen verweilte ich nun im Tal und sprach bei mir: Bei Allah, ich habe mein eigenes Verderben beschleunigt! Der Tag neigte sich bereits, sodass ich mich nunmehr bei meiner Wanderung nach einem Ort umschaute, wo ich die Nacht zubringen konnte, da mich die Furcht vor den Schlangen so stark gepackt hatte, dass ich in der Besorgnis um mein Leben weder an Speise noch an Trank dachte. Plötzlich gewahrte ich nahe bei mir eine Höhle und fand, als ich näher hinzutrat, dass sie einen engen Eingang hatte. Da trat ich in sie ein und verbarrikadierte den Eingang mit einem groÃen Stein, den ich neben demselben liegen sah, indem ich bei mir sprach: Nunmehr, wo ich diesen Ort betreten habe, bin ich in Sicherheit; sobald es morgen tagt, will ich hinausgehen und sehen, was Allahs Allmacht tun wird. Wie ich mich nun aber nach dem Innern der Höhle wendete, sah ich am gegenüberliegenden Ende eine riesige Schlange auf ihren Eiern liegen, sodass mein Leib erschauderte und ich, mein Haupt erhebend, meine Sache dem Schicksal und Verhängnis anheim stellte. Schlaflos verbrachte ich die ganze Nacht, bis die Morgenröte aufstieg, worauf ich den Stein wieder fortrückte und wie ein Trunkener aus der Höhle ging, taumelnd von dem langen Wachen und von Hunger und Schrecken.
Während ich nun in solchem Zustande durchs Tal wanderte, fiel mit einem Male ein groÃes Stück Fleisch vor mir nieder, ohne dass ich jemand bemerken konnte. Ich verwunderte mich höchlichst hierüber, doch fiel mir dabei eine Geschichte ein,
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