Märchen aus 1001 Nacht
die ich vor langer, langer Zeit einmal von Kaufleuten, Reisenden und Pilgern vernommen hatte: dass nämlich die Diamantenberge voll fürchterlicher Schrecken wären und dass niemand dorthin gelangen könne; dass indessen die Kaufleute, die in Diamanten Handel treiben, durch List zu den Diamanten gelangten, indem sie ein Schaf schlachteten, es abhäuteten und zerschnitten, worauf sie die frischen Fleischstücke von jenen Bergen auf den Boden des Tals würfen, an denen dann einige jener Steine festklebten. Dort lieÃen die Kaufleute sie bis zur Mittagszeit liegen, um welche Zeit die Geier und Adler sich auf jenes Fleisch niederlieÃen, es mit den Krallen packten und dann auf die Gipfel der Berge flögen. Sobald die Kaufleute dies bemerkten, kämen sie dann herbeigelaufen und verscheuchten mit lautem Geschrei die Vögel von dem Fleisch, worauf sie die Steine, die an dem Fleisch hafteten, abläsen und, das Fleisch den Vögeln und Raubtieren überlassend, mit den Steinen heimkehrten; und niemand sei imstande, anders als durch diese List zu den Diamanten zu gelangen. Wie ich nun dieses Stück Fleisch vor mir liegen sah und dabei an die erwähnte Geschichte dachte, trat ich näher herzu und füllte eifrig meine Taschen, meinen Gurt, Turban, die Falten meiner Kleider und alle meine Sachen mit einer groÃen Menge der erlesensten Steine, als mit einem Male ein neues groÃes Stück niederfiel. Da band ich mich schnell mit meinem Turban an das Stück Fleisch fest, indem ich mich auf den Rücken legte, das Fleisch auf meine Brust nahm und mich daran festhielt, sodass das Fleisch sich hoch über dem Boden befand. Und mit einem Male kam auch schon ein Adler auf das Fleisch niedergefahren, packte es mit seinen Fängen und stieg mit ihm in die Luft empor, während ich an dem Fleisch hing. Er hemmte seinen Flug nicht eher, als bis er den Gipfel eines Berges erreicht hatte, wo er das Stück loslieà und sich anschickte, darauf einzuhacken. Da erhob sich jedoch hinter ihm auf dem Berge lautes Geschrei und Holzgeklapper, sodass der Adler erschreckt aufflog. Während ich mich nun von dem Kadaver losband und mit blutbesudelten Kleidern neben ihm stand, kam mit einem Male der Kaufmann, der den Adler durch sein Geschrei verscheucht hatte, herangeschritten.
Als er mich erblickte, konnte er vor Entsetzen und zitternd vor Furcht kein Wort sprechen, doch trat er an den Tierkadaver heran und kehrte ihn um. Wie er nun aber nichts an ihm fand, stieà er einen lauten Schrei aus und rief: âAch, wie schade! Es gibt keine Macht und keine Kraft auÃer bei Allah, dem Hohen und Erhabenen! Zu Allah nehmen wir unsere Zuflucht vor dem gesteinigten Satan!â und jammerte über sich und schlug Hand wider Hand und klagte: âAch, welch ein Jammer! Wie kommt dies nur?â Da trat ich an ihn heran und nun fragte er mich: âWer bist du und weshalb kommst du hierher?â Ich antwortete ihm: âFürchte dich nicht und sei unverzagt, denn ich bin ein Mensch von den besten meines Geschlechts; ich bin ein Kaufmann und hab eine absonderliche Mär und eine seltsame Geschichte erlebt und die Weise, wie ich zu diesen Bergen und in das Tal gelangte, ist wunderbarlich zu hören. So fürchte dich nicht, du sollst von mir erhalten, was dich erfreuen wird, denn ich habe einen groÃen Haufen Diamanten bei mir und will dir davon schenken, was dich zufrieden stellen soll; denn jeder einzelne Diamant, den ich bei mir habe, ist besser als alles, was du sonst hättest bekommen können. Fürchte dich nicht und sei unverzagt.â Der Mann dankte mir für meine Worte und segnete mich; dann unterhielten wir uns miteinander, als plötzlich die anderen Kaufleute, welche ebenfalls ihre Fleischstücke heruntergeworfen hatten und mich nun mit ihrem Gefährten reden hörten, herbeikamen, mich begrüÃten und zu meiner Rettung beglückwünschten.
Hierauf nahmen sie mich mit sich und ich erzählte ihnen meine ganze Geschichte, alle meine Reiseabenteuer und wie ich in jenes Tal gekommen war. Alsdann gab ich dem Eigentümer des Stückes Fleisch, an welches ich mich festgebunden hatte, eine Menge von meinen Steinen, worüber er hocherfreut mich segnete und mir dankte. Die Kaufleute aber sagten zu mir: âBei Allah, dir ist ein neues Leben geschenkt, denn niemand gelangte vor dir an diesen Ort und kam mit seinem Leben davon; jedoch, gelobt sei Allah für deine
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