Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm
zornig stand ihm das Haar zu Berge. Dann nahm er sein Schwert in die Hand und sprach: »Wir drei haben stets dem Fürsten tapfer gedient. Wir waren verbunden wie Fleisch und Blut. Die beiden sind tot, da ist es meine Pflicht, nicht einzig am Leben zu bleiben.«
Damit stieß er sich das Schwert in die Kehle und verröchelte.
Der Herzog aber seufzte unaufhörlich und befahl, ihnen ein prächtiges Begräbnis zu bereiten.
Einem tapferen Helden geht die Ehre über das Leben. Das wußte der Kanzler; darum hat er es absichtlich so eingerichtet, durch die beiden Pfirsiche sie anzustacheln und so drei Helden zu töten.
85. Wie das Heiraten des Flussgotts aufhörte
Zur Zeit der sieben Reiche lebte ein Mann namens Si-Men Bau, der war Statthalter am gelben Fluss. In jener Gegend wurde der Flussgott sehr verehrt. Es lebten Zauberer dort und Hexen, die verkündeten: »Der Flussgott will jedes Jahr ein Mädchen freien, die man unter dem Volke aussuchen muss, sonst kommen Wind und Regen nicht zur rechten Zeit, es gibt Überschwemmungen und Missernten.« Wenn nun in einem reichen Haus ein Mädchen war im richtigen Alter, so sprachen die Zauberer, die sei zu erwählen. Die Eltern, die ihre Tochter schützen wollten, bestachen sie dann mit vielem Geld. So ließen sich die Zauberer denn erweichen und befahlen den reichen Leuten, Geld zusammen zu legen und ein armes Mädchen zu kaufen, die in den Fluss geworfen wurde. Das übrige Geld behielten sie als Gewinn für sich. Wer aber nicht bezahlen wollte, dessen Tochter ward zur Gattin des Flussgottes bestimmt, und man zwang sie, die Brautgeschenke anzunehmen, die die Zauberer ihr brachten. Das Volk der Gegend seufzte bitter unter diesem Brauch.
Als nun Si-Men sein Amt antrat, da hörte er von dieser Unsitte. Er ließ die Zauberer zu sich kommen und sprach zu ihnen: »Den Hochzeitstag des Flussgottes müsst ihr mir anzeigen. Denn ich will selbst zugegen sein, dem Flussgott meine Ehrung darzubringen, das wird ihn freuen, und er wird zum Lohne meinem Volke Segen spenden.« Damit entließ er sie. Die Zauberer waren voll des Lobes seiner Frömmigkeit.
Wie nun die Zeit erschien, da machten sie ihm Meldung. Si-Men tat Feierkleidung an und stieg zu Wagen und fuhr in festlichem Zuge an den Fluss. Die Ältesten des Volkes, sowie die Zauberer und die Hexen waren alle da. Von weither waren Mann und Weib, Kinder und Greise herbeigeströmt, um das Schauspiel anzusehen. Die Zauberer setzten die Flussbraut auf ein Ruhebett, taten ihr den Hochzeitsschmuck an, Pauken und Trommeln und fröhliche Weisen erklangen um die Wette.
Schon waren sie im Begriff, das Bett dem Fluss zu übergeben. Die Eltern des Mädchens nahmen unter Tränen von ihr Abschied. Da gebot Si-Men halt und sprach: »Nicht so eilig! Ich bin selber erschienen, um der Braut das Geleite zu geben, da muss es feierlich und würdig zugehen. Es muss erst jemand hin ins Schloss des Flussgottes und ihm Nachricht bringen, damit er selber kommt, die Braut zu holen.«
Mit diesen Worten blickte er auf eine Hexe und sagte: »Du kannst gehen!« Die Hexe zögerte; da befahl er seinen Dienern, sie zu nehmen und in den Fluss zu werfen. Dann verging wohl eine Stunde.
»Dies Weib versteht die Sache nicht,« fuhr Si-Men fort, »sonst wäre sie schon längst wieder zurück.« Damit sah er einen Zauberer an und fügte bei: »Gehe hin und mache es besser!« Der Zauberer entfärbte sich vor Angst; aber Si-Men ließ auch ihn packen und in den Fluss werfen. Wieder verging eine halbe Stunde. Da stellte er sich beunruhigt: »Die beiden machen ihre Sache schlecht«, sprach er, »und lassen die Braut vergeblich warten.« Abermals blickte er auf einen Zauberer und sagte: »Geh du und sieh nach ihnen« Der Zauberer aber warf sich zur Erde nieder und bat flehentlich um Schonung. Und auch die anderen Zauberer und Hexen knieten der Reihe nach vor ihm nieder und baten um Gnade. Sie taten einen Schwur, dass sie nie mehr für den Flussgott eine Gattin suchen wollten.
Da hielt Si-Men inne und schickte das Mädchen in ihre Heimat zurück, und jene Sitte war für ewig abgetan.
86. Dschang Liang
Tschang Liang stammte aus einem der Staaten, die von dem Kaiser Tsin Schï Huang vernichtet worden waren. Er wollte sich für seinen König rächen und sammelte deswegen Gesellen um sich, den Tsin Schï Huang zu ermorden. Tsin Schï Huang machte einst eine Reise durch das Land. Als er in die Landsteppe von Bo Lang kam, da bewaffnete Dschang Liang seine Leute mit eisernen Hämmern,
Weitere Kostenlose Bücher