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Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Titel: Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wilhelm
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um ihn tot zu schlagen. Tsin Schï Huang hatte aber immer zwei Reisewagen, die einander ganz gleich waren. Im einen saß er selbst, im zweiten saß ein anderer. Dschang Liang und die Seinen trafen auf den falschen Wagen. So musste Dschang Liang vor der Rache des Kaisers flüchten. Er kam über eine verfallene Brücke. Es wehte ein eisiger Wind, und Schneegestöber wirbelte durch die Luft. Da traf er einen uralten Mann in schwarzem Turban und gelbem Gewand. Der ließ einen seiner Schuhe ins Wasser fallen, blickte Dschang Liang an und sprach: »Kindchen, hol ihn mir!«
    Dschang Liang beherrschte sich, holte den Schuh und brachte ihn dem Greis. Der streckte den Fuß aus und ließ ihn sich anziehen. Dschang Liang tat auch diesen Dienst auf ehrerbietige Art. Da freute sich der Greis und sprach: »Kindchen, du bist zu brauchen! Komm morgen früh, ich habe etwas für dich!«
    Am anderen Tag, als es eben dämmerte, kam Dschang Liang an. Der Greis war schon da und tadelte ihn: ,,Du kommst zu spät! Heute sage ich dir nichts. Morgen musst du früher kommen.«
    So ging es drei Tage lang, und Dschang Liang ward nicht müde. Da war der Greis zufrieden, holte das Buch von den geheimen Ergänzungen hervor und gab es ihm. ,,Das musst du lesen!« sagte er; »dann wirst du der Meister eines großen Kaisers. Wenn du dein Werk vollbracht, so suche nach mir am Fuß des Gu Tschong-Berges. Dort wirst du einen gelben Stein finden, das bin ich.«
    Dschang Liang nahm das Buch und half dem Ahn des Hauses Han bei der Eroberung des Reiches. Der machte ihn zum Grafen. Von dieser Zeit an enthielt sich Dschang Liang der menschlichen Nahrung und sammelte sich im Geiste. Er pflegte Verkehr mit den vier Weißbarten vom Schang-Berge und genoß mit ihnen das Abendrot in den Wolken. Er begegnete einmal ein paar Knaben, die sangen und tanzten.
    Ein Knabe sang:
»Grüne Kleider musst du tragen,
Dann kommst du ans Himmelstor.
Musst die gold’ne Mutter grüßen
Und dich vor dem Holzherrn neigen!«
    Als Dschang Liang das hörte, verneigte er sich vor dem Knaben und sagte zu seinen Freunden: »Das sind Engelkinder des Königvaters vom Osten. Die goldene Mutter ist die Königin des Westens. Der Holzherr ist der Königvater des Ostens. Das sind die beiden Urkräfte, die Eltern des Männlichen und Weiblichen, die Wurzel und Quelle von Himmel und Erde, denen alles Lebende seine Entstehung und Nahrung verdankt. Der Holzherr ist der Meister der männlichen Heiligen, die goldene Mutter ist die Herrin der weiblichen Heiligen. Wer ewiges Leben erlangen will, muss zuerst die Mutter grüßen, dann vor dem Vater sich neigen. So kann er aufsteigen zu den drei Reinen und vor dem Höchsten stehen. Die Engelkinder zeigen durch das Lied den Weg, wie man geheimen Sinn erlangen kann.«
    Zu jener Zeit ließ sich der Kaiser hinreißen, einige seiner treuen Diener zu töten. Da verließ Dschang Liang seinen Dienst und ging nach dem Gu Tschong-Berg. Dort fand er bei dem gelben Stein den Alten, erlangte geheimen Sinn und kehrte heim. Er stellte sich krank, löste seinen Körper auf und verschwand.
    Als später der Aufruhr der »roten Augenbrauen« ausbrach, öffnete man sein Grab. Man fand aber nur einen gelben Stein darin. Dschang Liang wanderte mit Laotse im Unsichtbaren.
    Sein Enkel Dschang Dau Ling ging einst zum Kunlun-Berg, um die Königin Mutter des Westens zu besuchen. Dort traf er auch Dschang Liang. Dschang Dau Ling erlangte die Macht über Dämonen und Geister. Er war der erste Taoistenpapst. In seiner Familie hat sich das Geheimnis von Geschlecht zu Geschlecht vererbt.

87. Der alte Drachenbart
    Zur Zeit des letzten Kaisers der Sui-Dynastie war die Macht in den Händen des kaiserlichen Oheims Yang Su. Der war stolz und verschwenderisch. In seinem Saale waren Chöre von Sängerinnen und Tänzerinnen aufgestellt, und dienende Mädchen waren aller seiner Winke gewärtig. Wenn die Großen des Reiches kamen, ihn zu besuchen, so blieb er gemächlich auf seinem Ruhebett sitzen bei ihrem Empfang. Es lebte zu jener Zeit ein tapferer Held namens Li Dsing.
    Der kam in ärmlichem Gewand, Yang Su zu sehen und ihm einen Plan zur Beruhigung des Reiches zu überreichen.
    Er machte eine tiefe Verbeugung, die jener nicht erwiderte, dann sprach er: »Das Reich ist im Begriff, in Wirren zu geraten, und allenthalben stehen Helden auf. Ihr seid der höchste Diener des kaiserlichen Hauses; Eure Pflicht wäre es, die Tapferen um den Thron zu scharen. Ihr solltet nicht die Leute durch Euren

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