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Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Titel: Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wilhelm
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zu Tode kamen
    Der Herzog Ging von Tsi liebte es im Anfang seiner Regierungszeit, Helden um sich zu sammeln. Darunter waren besonders drei, die außerordentlich tapfer waren. Der erste hieß Gung-Sun Dsiä, der zweite hieß Tiän Kai Giang, dritte hieß Gu I Dsï. Alle drei wurden vom Fürsten hoch geehrt. Durch diese Ehren aber wurden sie übermütig, lärmten bei Hofe und übertraten die Sitten, die zwischen Fürst und Diener bestehen.
    Zu jener Zeit war Yän Dsï Kanzler in Tsi. Mit dem beriet der Herzog, was zu tun sei. Der Kanzler bat, ein Hofmahl zu veranstalten und alle Beamten dazu einzuladen. Auf der Tafel stand als größte Kostbarkeit ein Teller mit vier herrlichen Pfirsichen.
    Entsprechend dem Rat seines Kanzlers stand der Herzog auf und machte kund: »Hier sind herrliche Früchte; ich kann euch nicht allen davon geben. Nur die Würdigsten sollen davon essen. Ich selbst beherrsche das Land und bin das Haupt der Fürsten des Reichs. Es ist mir gelungen, Besitz und Macht zu wahren, das ist mein Verdienst. Darum gebührt mir einer der Pfirsiche. Yän Dsï steht mir bei als Kanzler, er ordnet den Verkehr mit dem Ausland und hält die Bürger in Frieden. Er hat unser Reich stark gemacht auf Erden. Das ist des Kanzlers Verdienst, ihm gebührt der zweite Pfirsich. Nun sind noch zwei Pfirsiche da, doch weiß ich nicht, wer von euch anderen die Würdigsten sind. Ihr mögt selbst aufstehen und eure Verdienste erzählen. Wer keine großen Taten vollbracht hat, der unterstehe sich nicht, den Mund zu öffnen.«
    Gung-Sun Dsiä schlug an sein Schwert und erhob sich; er sprach: »Ich bin des Fürsten Feldmarschall. Im Süden habe ich das Reich Lu besiegt, im Westen habe ich das Reich Dsin besiegt, im Norden habe ich das Heer von Yän gefangen genommen. Alle Fürsten im Osten kommen hierher an den Hof und erkennen die Führerschaft von Tsi an. Das ist mein Verdienst. Ich weiß nicht, ob ein Pfirsich mir gebührt.«
    Der Herzog sprach: »Dein Verdienst ist groß! Es gebührt dir ein Pfirsich.«
    Da erhob sich Tiän Kai Giang, schlug auf den Tisch und sprach: »Ich habe im Heere des Fürsten wohl hundert Schlachten geschlagen, ich habe den feindlichen Feldherrn getötet, ich habe die Fahne des Feindes erobert. Ich habe für meinen Fürsten die Grenzen des Landes erweitert, so dass unser Land um tausend Meilen größer wurde. Wie steht es da mit meinem Verdienst?«
    Der Herzog sprach: »Dein Verdienst ist groß! Es gebührt dir dieser Pfirsich.«
    Da erhob sich Gu I Dsï; seine Augen starrten, und er schrie mit lauter Stimme: »Als einst der Fürst über den gelben Fluss fuhr, da erhoben sich Wind und Wellen. Ein Flussdrache schnappte das eine Wagenpferd und riss es fort; die Fähre schwankte wie ein Sieb und wollte kentern. Da nahm ich mein Schwert und stürzte mich in den Fluss. Ich kämpfte mit dem Drachen inmitten schäumender Wellen. Meiner Stärke gelang es, den Drachen zu töten; es traten mir vor Anstrengung die Augen aus dem Kopf. So kam ich wieder heraus, in der einen Hand den Drachenkopf, in der anderen das gerettete Pferd, und ich hatte den Fürsten vom Ertrinken gerettet. Wenn immer unser Land mit Nachbarländern im Kampfe lag, ich habe mich keines Dienstes geweigert. Ich nahm die Vorhut, ich ging im Einzelkampf voran; niemals kehrte ich dem Feind den Rücken. Einst blieb der Wagen des Fürsten im Schlamme stecken, und von allen Seiten drängten sich Feinde herzu; ich zog den Wagen heraus und scheuchte die feindlichen Söldner zurück. Seitdem ich im Dienste des Fürsten bin, habe ich ihm mehrmals das Leben gerettet. Wohl kommt mein Verdienst dem Fürsten und Kanzler nicht gleich; doch ist es größer als das der beiden anderen. Die beiden haben Pfirsiche bekommen, ich gehe leer aus. Das heißt, dass hohes Verdienst nicht belohnt wird und der Fürst mir mißgünstig gestimmt ist. Wie kann ich mich da jemals wieder bei Hofe sehen lassen!«
    Mit diesen Worten zog er sein Schwert und stach sich tot.
    Gung-Sun Dsiä erhob sich, verneigte sich zweimal und sagte seufzend: »Unser beider Verdienst kommt wirklich dem des Gu I Dsï nicht gleich, und doch wurden uns die Pfirsiche zuteil. Wir haben uns über Gebühr bezahlen lassen. Das ist eine Schmach. Darum ist es besser zu sterben, als weiter zu leben.«
    Er nahm sein Schwert und schwang es, und schon rollte sein eigener Kopf in den Sand.
    Tiän Kai Giang blickte auf und stieß einen Laut des Ekels aus. Er blies den weißen Hauch wie einen Regenbogen vor sich hin, und

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