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Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Titel: Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wilhelm
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des Inhalts, dass der Drache der Milchstraße die Wind- und Wolkengeister anweisen solle, drei Zoll hoch Regen auf die Erde nieder zu senden. Ein Widerspruch war nicht möglich.
    Da dachte der alte Drache bei sich selbst: »Der Drachenkönig kennt die Zukunft doch besser als ich. Wenn ich nun aber ein Schlamm-Molch werden sollte, wäre das gar zu schmählich.« So ließ er denn nur zwei Zoll Regen fallen und berichtete dem himmlischen Hofe, dass der Befehl erfüllt sei.
    Aber der Kaiser Tai Dsung hatte ebenfalls ein Gebet dargebracht, um dem Himmel zu danken. Darin hieß es: »Das köstliche Naß wurde uns zuteil in einer Höhe von zwei Zoll. Wir bitten untertänigst, noch mehr herab zu senden, damit die dürren Saaten sich erholen können.«
    Als der Herr dieses Gebet las, ward er sehr zornig und sprach: »Der verbrecherische Drache der Milchstraße hat es gewagt, den von mir bestimmten Regen zu verringern. Er darf sein schuldiges Leben nicht fortsetzen. Darum soll unter den Menschen der Feldherr We Dschong ihn enthaupten zur Warnung für alle lebenden Wesen.«
    Des Abends hatte der Kaiser Tai Dsung einen Traum. Er sah einen Riesen eintreten, der ihn mit verhaltenen Tränen anflehte: »Rettet mich, o Kaiser! Der Herr hat, weil ich eigenmächtig den Regen verringert habe, in seinem Groll befohlen, dass We Dschong mich morgen um die Mittagsstunde enthaupten soll. Wenn Ihr nun um diese Zeit den We Dschong nicht einschlafen lasst und abermals ein Gebet darbringt, um mich zu retten, so kann das Unglück noch einmal vorübergehen.«
    Der Kaiser sagte zu. Jener verneigte sich und ging.
    Am anderen Tage ließ der Kaiser den We Dschong kommen. Er trank mit ihm zusammen Tee und spielte Schach. Um die Mittagszeit wurde We Dschong plötzlich müde und schläfrig; aber er wagte nicht, sich zu verabschieden. Der Kaiser aber, weil einer seiner Bauern geschlagen worden war, blickte einen Augenblick nieder auf das Spiel und dachte nach, und schon schnarchte We Dschong mit donnerähnlichem Getöse. Der Kaiser erschrak sehr und rief ihm eilig zu; doch jener erwachte nicht. Er ließ ihn durch zwei Eunuchen rütteln; aber es dauerte eine lange Zeit, bis er wieder zu sich kam.
    »Was seid Ihr nur so plötzlich eingeschlafen?« sprach der Kaiser.
    »Es träumte mir,« antwortete jener, »der höchste Gott habe mir befohlen, den alten Drachen zu enthaupten. Eben habe ich ihm den Kopf heruntergeschlagen, und noch immer tut mir der Arm von der Anstrengung weh.«
    Noch ehe er fertig gesprochen hatte, fiel plötzlich aus der Luft ein Drachenkopf herab, groß wie ein Scheffelmaß. Der Kaiser erschrak und stand auf.
    »Ich habe mich am alten Drachen versündigt«, sagte er, zog sich zurück in die Gemächer seines Schlosses und ward verstört im Geiste. Er blieb auf seinem Lager liegen, schloss die Augen und redete nichts mehr. Ganz schwach nur ging der Atem noch durch seine Nase.
    Plötzlich sah er zwei Leute in purpurnen Gewändern, die eine Namenkarte in der Hand hatten. Sie sprachen also zu ihm: »Der alte Drache der Milchstraße hat den Kaiser in der Unterwelt verklagt. Wir bitten, den Wagen anspannen zu lassen.«
    Unwillkürlich folgte der Kaiser den beiden nach, und vor dem Schlosse war auch schon der Wagen angespannt. Der Kaiser bestieg ihn, und im Fluge ging es durch die Luft. Im Augenblicke war er in der Totenstadt. Als er eintrat, sah er den Gott des Großen Berges in der Mitte sitzen und die zehn Höllenfürsten rechts und links gereiht. Sie alle erhoben sich, verneigten sich vor ihm und ließen ihn sitzen.
    Dann sprach der Gott des Großen Berges: »Der alte Drache der Milchstraße hat wirklich ein strafwürdiges Vergehen auf sich geladen. Doch Eure Majestät hatten versprochen, für ihn zum höchsten Herrn zu bitten, wodurch das Leben des alten Drachen wohl gerettet worden wäre. Dass diese Sache über dem Schachspiel versäumt wurde, dürfte wohl auch ein Fehler sein. Nun beklagt sich der alte Drache unaufhörlich bei mir. Wenn ich bedenke, dass er seit tausend Jahren sich der Heiligung beflissen hat und nun wieder in den Kreislauf der Wandlungen zurückfallen soll, so ist das wirklich traurig. Darum habe ich mit den Fürsten der zehn Hallen mich beraten, einen Ausweg zu finden und Eure Majestät hierher gebeten, um die Sache zu besprechen. Im Himmel, auf der Erde und in der Unterwelt ist allein Buddhas Lehre ohne Grenzen. Wenn Eure Majestät daher auf die Welt zurückkehren, so mögen für die dreiunddreißig Himmelsherrn große

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