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Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Titel: Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wilhelm
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ein inneres Gemach. Darin standen ein Bett, ein Tisch mit Büchern und Kleidern, alles wie für einen lebenden Menschen gehalten. Tsin Schï Huang setzte sich auf das Bett und blickte auf den Boden. Da standen zwei Schuhe aus roter Seide, die an der Spitze ein gesticktes Wolkenmuster trugen. Sie waren neu und rein und ohne Staub. An der Wand stand ein Bambusstab. Zum Scherze zog der Kaiser die Schuhe an, nahm den Stab und ging zum Grabe hinaus. Da erschien plötzlich eine Tafel, darauf standen folgende Verse:
Tsin Schï Huang hat sechs Reich’ überrannt,
Öffnet mein Grab und mein Bett er fand,
Stiehlt meine Schuh’, nimmt den Stock in die Hand:
Kommt er nach Schakiu — sein Ende er fand.
    Tsin Schï Huang erschrak sehr und ließ das Grab wieder schließen. Als er aber nach Schakiu kam, da traf ihn eine hitzige Krankheit, an der er starb.
    Als später zur Han-Zeit Dschung Li I als Fürst von Lu eingesetzt war, da nahm er von seinem eigenen Gelde zehntausend Lot und gab sie dem Tempelbewahrer, um den Tempel des Konfuzius auszubessern. Da traf man auf den Wagen des Konfuzius und fand seinen Tisch, seine Matte, sein Schwert und seine Schuhe. Ein Tempelarbeiter, namens Dschang Be, der vor der großen Halle Gras jätete, fand in der Erde sieben Nephritzepter. Er steckte eines zu sich und brachte die anderen dem Dschung Li I. Der ließ sie auf dem Tisch des Konfuzius aufstellen. Dieser Tisch stand in der früheren Lehrhalle des Konfuzius. An der Wand dieser Halle stand auch ein Bett. Oben über dem Bett hing eine große Tonne. Dschung Li I fragte den Tempelbewahrer, was das sei. Der erwiderte: »Es ist eine Hinterlassenschaft des Konfuzius. Eine Inschrift mit roten Zeichen steht darauf, darum habe ich es nicht gewagt, sie zu öffnen.«
    Dschung Li I sprach: »Der Meister war ein Heiliger, vielleicht enthält die Tonne Lehren, die er der Nachwelt zu geben hat.«
    So wurde sie geöffnet. Es fand sich ein Zettel darin, darauf stand geschrieben: »In späterer Zeit wird ein Gelehrter kommen, der meine Bücher ordnet. Er wird meinen Wagen finden und meine Schuhe und meinen Bücherkasten. Dschung Li I bekommt sieben Zepter, aber Dschang Be versteckt eines davon.«
    Als Dschung Li I diese Schrift gelesen hatte, da berief er den Dschang Be und sprach zu ihm: »Es waren sieben Zepter da, warum hast du eines davon versteckt?«
    Da fiel jener vor ihm nieder und gab das gestohlene Zepter heraus.
    Konfuzius hatte einst zu einem Jünger gesagt: »Die Ereignisse von hundert Geschlechtern kann man vorher wissen.«
    In dieser Geschichte zeigt sich ein Beweis davon.

27. Der Kriegsgott
    Der Kriegsgott Guan Di hieß eigentlich Guan Yü. Zur Zeit, als der Aufruhr der gelben Turbane das Reich durchtobte, tat er sich mit zwei andern, denen er auf der Straße begegnet war, und die ebenso wie er von Vaterlandsliebe beseelt waren, zu einem Freundschaftsbunde zusammen. Der eine war der spätere Kaiser Liu Be, der andere hieß Dschang Fe. Die drei kamen in einem Pfirsichgarten zusammen und gelobten einander, Brüder zu sein, obwohl sie aus verschiedenen Häusern stammten. Sie schlachteten ein weißes Ross und schwuren einander Treue bis zum Tode. Guan Yü war treu, ehrlich, gerecht und tapfer über alle Maßen. Er las gern in dem Buche des Konfuzius über Blüte und Untergang der Reiche. Er half seinem Freunde Liu Be bei der Unterdrückung der gelben Turbane und bei der Eroberung des Vierstromlandes. Das Pferd, auf dem er ritt, hieß der rote Hase und konnte an einem Tage tausend Meilen weit laufen. Er hatte ein halbmondförmiges Messer, das hieß der grüne Drache. Seine Augenbrauen waren schön wie die von Seidenschmetterlingen und seine Augen lang geschlitzt wie die des Phönix. Sein Gesicht war rot wie Scharlach, und sein Bart war so lang, dass er ihm über den Bauch herabhing. Als er einst vor den Kaiser trat, nannte der ihn Herzog Schönbart und schenkte ihm eine seidene Tasche, um seinen Bart hinein zu tun. Er trug ein Gewand aus grünem Brokat. Jedesmal, wenn er zur Schlacht ging, zeigte er sich von unwiderstehlicher Tapferkeit. Ob ihm tausend Heere oder zehntausend Reiter gegenüberstanden — er trat ihnen entgegen, als ob sie bloße Luft wären. Der böse Tsau Tsau führte ihn einst in Versuchung, seinem Herrn und Freunde Liu Be untreu zu werden. Als er nämlich die beiden Gemahlinnen Liu Bes in seine Gewalt bekommen hatte, da befahl er, dass Guan Yü mit ihnen zusammen in einem Zimmer über Nacht eingeschlossen werden sollte. Guan

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