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Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm

Titel: Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wilhelm
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Schein. Wenn die geringeren Götter oder Teufel diesen Schein sehen, so ducken sie sich und wagen nicht, sich zu regen. Der Himmelsmeister auf dem Drachentigerberg pflegt steten Verkehr mit allen Göttern. Eines Tages kam der Kriegsgott Guan Di herabgestiegen, als eben der Beamte des Nachbarkreises zu Besuch beim Himmelsmeister war. Der Himmelsmeister riet dem Manne, sich zurückzuziehen und im inneren Gemache zu verbergen. Darauf ging er hinaus, um den Kriegsgott zu empfangen. Der Beamte aber guckte durch eine Ritze in der Tür. Da sah er des Kriegsgottes rotes Gesicht und grünes Gewand: schrecklich und ehrfurchtgebietend stand er da. Plötzlich blitzte auf seinem Kopfe ein roter Schein auf, dessen Strahlen bis ins innere Gemach drangen, so dass der Beamte auf dem einen Auge erblindete. Nach einer Weile brach der Kriegsgott wieder auf, und der Himmelsmeister begleitete ihn. Plötzlich sprach Guan Di bestürzt: »Konfuzius kommt! Der Schein auf seinem Kopfe erleuchtet das ganze Weltall. Auf tausend Meilen bin auch ich ihm nicht gewachsen. Ich will ihm schleunigst aus dem Wege gehen.« Damit bestieg er eine Wolke und verschwand. Der Himmelsmeister erzählte dann dem Beamten, was sich zugetragen, und fügte noch hinzu: »Zum Glück habt Ihr den Kriegsgott nicht von Angesicht zu Angesicht gesehen! Wer nicht höchste Tugend und höchstes Wissen besitzt, der wird von jenem roten Schein zerschmolzen.« Mit diesen Worten gab er ihm eine Pille des Lebenselixiers zu essen, und das blinde Auge wurde allmählich wieder gut. Es heißt aber auch, dass die Gelehrten auf dem Kopfe einen roten Schein haben, den Teufel, Füchse und Gespenster, wenn sie ihn sehen, fürchten.
    Nun war einmal ein Gelehrter, der hatte einen Fuchs zum Freund. Der Fuchs nahm ihn bei Nacht mit sich und ging mit ihm in den Dörfern spazieren. Sie konnten in die Häuser gehen und alles sehen, was dort geschah, ohne dass die Leute sie bemerkten. Wenn er aber von fern auf einem Hause einen roten Schein leuchten sah, so ging der Fuchs nicht hinein. Der Gelehrte fragte ihn nach dem Grunde.
    »Das sind alles berühmte Gelehrte«, antwortete der Fuchs. »Je größer der Glanz, desto umfassender ist ihre Bildung. Ich scheue mich vor ihnen und wage nicht, bei ihnen einzutreten.«
    Da sprach der Mann: »Ich bin doch auch ein Gelehrter. habe ich denn keinen Schein, dass du dich nicht vor mir scheust, sondern mit mir spazieren gehst?«
    »Auf deinem Kopf ist nur ein schwarzer Dunst«, erwiderte der Fuchs. »Ich habe noch nie einen Schein bei dir entdeckt.«
    Der Gelehrte schämte sich und fuhr ihn an; der Fuchs aber verschwand unter wieherndem Gelächter.

29. Laotse
    Laotse ist eigentlich älter als Himmel und Erde. Er ist der gelbe Alte, der mit den anderen vieren die Welt geschaffen. Zu verschiedenen Zeiten aber hat er sich auf der Erde unter verschiedenen Namen gezeigt. Seine berühmteste Menschwerdung jedoch ist die als »altes Kind« (Laotse) mit dem Namen Pflaume (Li). Das ging aber so zu: Seine Mutter empfing ihn auf übernatürliche Weise und trug ihn zweiundsiebzig Jahre lang. Als er geboren wurde, kam er aus der linken Achselhöhle seiner Mutter hervor. Er hatte gleich von Anfang an weiße Haare, darum nannte man ihn altes Kind. Auch konnte er schon sprechen. Da er keinen menschlichen Vater hatte, deutete er auf den Pflaumenbaum, unter dem er zur Welt gekommen war, und sprach: »Dies soll mein Name sein!«
    Er erlangte große Zauberkünste, durch die er sein Leben verlängerte. Einst dingte er einen Knecht zu seinem Dienst. Mit dem ward er eins, dass er ihm täglich hundert Kupferstücke geben wollte; doch bezahlte er ihn nicht aus und war ihm schließlich sieben Millionen zweihunderttausend Kupferstücke schuldig. Da bestieg er einen schwarzen Stier und ritt nach Westen. Er wollte seinen Knecht mitnehmen. Als sie aber an den Han-Gu-Pass kamen, da weigerte sich der Knecht und verlangte seine Bezahlung. Doch Laotse gab ihm nichts.
    Als sie sich dem Hause des Passwächters nahten, da zeigten sich am Himmel rote Wolken. Der Passwächter verstand das Zeichen und wußte, dass ein Heiliger nahe. So ging er ihm entgegen und nahm ihn in seinem Hause auf. Er fragte ihn nach geheimer Weisheit. Laotse aber streckte die Zunge weit heraus und sagte nichts. Dennoch beherbergte ihn der Passwächter aufs Ehrerbietigste in seiner Wohnung. Laotses Knecht erzählte dem Diener des Passwächters, dass sein Herr ihm noch viel Geld schuldig sei, und bat, ein gutes Wort für ihn

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