Märchen, Der Falke unter dem Hut ab 9 Jahre
Nachricht erreichte auch den Ältesten der Kaufleute, der schon unruhig auf diesen Tag gewartet hatte. Jetzt war ihm klar: Er hatte nicht nur sein Gold an einen Dummkopf verloren, sondern würde zum Schaden auch noch den Spott ernten. So beschloß er, dem Festmahl fernzubleiben. Doch seine Freunde wollten es nicht zulassen und hießen ihn mitgehen.
Achmed war als letzter durch das Stadttor geritten. Er begegnete nur neugierigen oder hämischen Blicken. Man hatte ihn nicht eingeladen, am Begrüßungsmahl teilzunehmen, doch das kümmerte ihn wenig. Er stieg vor der Halle der Kaufleute vom Kamel und begann dort einen Teil seiner Kisjaks abzuladen.
Als nun die Kaufleute drinnen lärmten, sich lachend zutranken und prahlten, wer am vorteilhaftesten gehandelt und die meisten Gewinne erzielt habe, brachte Achmed seine „Waren“ in den Saal. Da man sich einen großen Spaß erhoffte, ließ man ihn eine Weile gewähren, dann stand einer auf und sagte mit mühsam verhehltem Spott: „Jetzt wird uns der kluge Achmed von seinen erfolgreichen Handelsgeschäften berichten!“
Der Älteste der Kaufleute schlug die Augen vor Scham nieder. Achmed trat lächelnd an den Tisch heran und stapelte seine Kisjaks dort auf. Da schrie der empörte Kaufmann: „Willst du mich verhöhnen? Hinaus mit dir, Lumpenkerl! Du beschmutzt unseren Saal.“
Doch Achmed ließ sich nicht stören und blieb ganz gelassen. Dann zog er einen Beutel hervor, den der Kaufmann als den seinen erkannte, und sagte: „Du gabst mir nicht allzuviel, o Herr! Es war dieser kleine Beutel voller Goldstücke. Doch hab keine Sorge: Weniger, als ich von dir erhielt, bekommst du nicht zurück!“ Damit reichte er dem Kaufmann den Geldbeutel. Der hielt ihn einen Augenblick in seiner Hand, warf ihn aber dann, weil er ganz leicht war, verächtlich auf den Tisch.
„Verschmähe ihn nicht, Herr“, sagte Achmed mit leichtem Spott, „es ist zwar weniger darin, und doch ist es mehr, als es ursprünglich war!“
Jetzt griff der Älteste vor den neugierigen Augen seiner Freunde in den Beutel und zog eine Perle hervor, die war größer als alle bisher bekannten, dazu war sie makellos und schimmerte in mattem Glanz.
Nicht nur der Kaufmann, auch die Umsitzenden rissen die Augen auf, doch Achmed sprach weiter: „Das ist noch nicht alles. Ich habe für dich auch einigen Gewinn eingehandelt. Um ihn in Besitz zu nehmen, wirst du dich freilich etwas bücken müssen.“
Achmed begann jetzt vor aller Augen einen Kisjak aufzubrechen und mit den Händen zu zerreiben. Einige schrien empört auf, doch da sahen sie, daß ihr ältester und angesehenster Kaufmann auf dem Teppich kniete und auf allen vieren hin und her kroch. Mit dem Kamelmist waren viele der kostbaren Perlen auf Teppich und Fliesen gerollt, die scharrte der Alte mit zitternden Händen, vor Gier keuchend, zu einem Häuflein zusammen.
Da verstummte das Hohngelächter. Die Kaufleute erstarrten. Vor ihren Füßen lag ein unermeßlicher Reichtum, den dieser närrische Achmed wohl nicht zu schätzen wußte.
Einer von ihnen rief: „Achmed, mein Freund, befinden sich in den anderen Kisjaks ebensolche Perlen?“
Achmed lächelte listig: „Es ist so, wie du sagst. In einigen mehr, in anderen weniger.“ Als er sah, daß der Beutel des Alten prall mit Perlen gefüllt war, sagte er: „Ich denke, Herr, du brauchst dich meiner nicht zu schämen. Der Handel mit mir hat sich bezahlt gemacht.“ Er blickte auf die anderen. „Jetzt könnt ihr euch alle bereichern!“ Achmed wies auf die Kamelfladen in der Halle.
Da sprangen die Kaufleute alle zugleich von ihren Sitzen hoch und rissen sich um die Kisjaks. Sie zerbrachen sie, krochen auf dem Boden, gerieten in Streit, schrien und zerstampften manche kostbare Perle. Im Saal herrschte ein wüstes Handgemenge, Raufen und Schreien. Doch alles wurde übertönt von Achmeds Lachen. Ja, er lachte so laut und so anhaltend, bis alle zu ihm aufsahen, verlegen aufstanden und sich verwirrt anblickten.
Da sagte Achmed vergnügt: „Nun, ihr vornehmen Herren, gewiß erinnert ihr euch noch meiner Worte: Am Ende meiner Reise werde ich es sein, der Grund hat, über euch zu lachen.“ Damit wies er auf die zerbrochenen und zerstampften Kisjaks zu ihren Füßen. „Ich wußte, daß es euch nichts ausmachen würde, eure wohlgepflegten Hände mit Kamelmist zu beschmutzen. Ihr greift nach Gold und Reichtum nicht nur mit Verstand. Das wollte ich euch beweisen.“
Damit verließ er den Saal und führte seine
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