Märchen, Der Falke unter dem Hut ab 9 Jahre
sich mit der Schwarzen Kunst. Er mischte und kochte, um den Stein der Weisen zu finden, denn er meinte, der würde ihm zu unermeßlicher Macht über Mensch und Tier, Sonne und Mond verhelfen. Abenteurer und Reisende aus fernen Ländern, die sich als Zauberkünstler ausgaben, waren deshalb an seinem Hofe wohl angesehen.
Als Eulenspiegel im Schlosse erschien, fragte der Landgraf: „Woher kommt Ihr, und wes Standes seid Ihr?“
„Ich bin ein Künstler, gnädiger Herr“, antwortete Till und verbeugte sich.
Er scheint sich auf geheime Künste zu verstehen, dachte der Landgraf erfreut und hieß Eulenspiegel willkommen.
Aber Till sprach: „Ich bin ein Maler, desgleichen Ihr selten in einem Lande findet. Denn meine Arbeit ist von besonderer Art und übertrifft weit die anderer Maler.“
„Welch glückliche Stunde!“ rief der Landgraf entzückt. „Wollt Ihr unseren Saal mit Gemälden schmücken? Wollt Ihr alle unsere Vorfahren malen, so köstlich Ihr nur könnt? Bedenket die Geschichte unseres Geschlechtes! Es ist eine herrliche Aufgabe!“ „Gewiß, gnädiger Herr, eine herrliche Aufgabe“, bestätigte Till. Der Landgraf versprach, ihn dafür wohl zu belohnen. Und Eulenspiegel nahm den Auftrag an. Der Rentmeister mußte ihm sogleich hundert Gulden im voraus zahlen. Till kaufte Farben und warb Gesellen an. Und als alles aufs beste vorbereitet war, forderte Eulenspiegel: „Während ich arbeite, soll jedoch niemand den Saal betreten, damit ich in meiner Kunst nicht behindert werde.“
Der Landgraf willigte ein.
Eulenspiegel aber ging zu seinen Gesellen und besprach sich mit ihnen, daß sie stilleschwiegen und ihn allein malen ließen.
So lebten sie drei herrliche Wochen oder vier. Da ließ dem Grafen die Neugier keine Ruhe mehr, und er verlangte zu sehen, was der Meister mit seinen Gesellen male.
„Ach, lieber Meister“, sprach er zu Eulenspiegel, „wir freuen uns gar sehr auf Euer Gemälde. Dürfen wir mit Euch in den Saal gehen und die Arbeit betrachten?“
„Gewiß, gnädiger Herr“, antwortete Eulenspiegel. „Aber eins will ich Euch sagen: Wer nicht von Herzen ehrlich ist, kann mein Gemälde nicht sehen. Das ist das Besondere meiner Kunst.“
„Meister“, sagte der Landgraf, „das ist fürwahr eine Seltenheit!“ Und sie gingen in den Saal.
Dort hatte Eulenspiegel ein langes Leinentuch über die Wand gespannt. Als sie nun eintraten, schlug er es zurück, wies mit einem weißen Stäbchen an die Wand und sprach: „Sehet, gnädiger Herr, den ersten Landgrafen von Hessen mit seiner Gemahlin, der Herzogin von Bayern und Tochter des milden Justinian! Seht dort den Vater des Adolfus! Seht Wilhelm den Schwarzen, den Sohn des Adolfus, und Ludwig den Frommen, den Sohn des Wilhelmus! Seht weiter die große fürstliche Familie bis auf Euer Gnaden! Ist es nicht eine vortreffliche Arbeit, so meisterlich und schön in den Farben, daß niemand sie zu tadeln vermag?“
Der Landgraf sah nichts als die glatte Wand. Er hütete sich aber, ein Wort zu sagen, denn er hatte keine Lust, seine Unehrlichkeit bekanntzumachen.
„Ich bin mit Eurer Kunst zufrieden, Meister“, versicherte er und schritt aus dem Saale.
Nun begehrte auch die Landgräfin das Gemälde zu sehen. Und Eulenspiegel sprach zu ihr: „Eins will ich Euch sagen, Euer Gnaden: Wer nicht von Herzen ehrlich ist, kann mein Gemälde nicht sehen. Das ist das Besondere meiner Kunst.“
Da wurde die Landgräfin noch neugieriger und ging mit ihren Jungfrauen in den Saal.
Eulenspiegel schlug das Tuch zurück, wies mit dem weißen Stäbchen auf die Wand und sprach: „Sehet, Euer Gnaden, den ersten Landgrafen von Hessen mit seiner Gemahlin, der Herzogin von Bayern und Tochter des milden Justinian! Seht dort den Vater des Adolfus! Seht Wilhelm den Schwarzen, den Sohn des Adolfus, und Ludwig den Frommen, den Sohn des Wilhelmus! Seht weiter die große fürstliche Familie bis auf Euer Gnaden! Ist das nicht eine vortreffliche Arbeit, so meisterlich und schön in den Farben, daß niemand sie zu tadeln vermag?“
Die Landgräfin und die Jungfrauen sahen nichts als die glatte Wand. Aber sie schwiegen alle, fürchteten sie doch, für unehrlich zu gelten. Und als der Landgraf die Fürstin fragte, wie ihr das Gemälde gefiele, antwortete sie: „Es gefällt mir so gut wie Euer Gnaden.“
Ich möchte wohl sehen, wer unter meiner Ritterschaft ehrlich ist, und der Unehrlichen Lehensgüter will ich dann für mich gewinnen, dachte der Fürst. Und er ließ die Ritter
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