Märchen, Der Falke unter dem Hut ab 9 Jahre
möge ihn im Garten vergraben.
Hier begann der Papagei plötzlich zu flattern und setzte sich auf einen Baum. Nun verstand der Kaufmann, daß auch der fremde Vogel, der vom Baum gefallen war, sich nur totgestellt hatte, um seinem Freunde ein Beispiel zu geben, wie er die Freiheit wiedererlangen könne.
Der Papagei flog noch einmal in die Nähe des Fensters und rief: „Ich danke dir, Herr, für die Botschaft und das Geschenk, das du mir mitbrachtest. Du hieltest mich gut und sorgtest für mich. Aber der schönste goldene Käfig und die feinsten Leckerbissen sind mir nicht so kostbar wie meine Freiheit.“
Sprach’s und flog in die Ferne.
Ilse Korn
Der Affe und die Schildkröte
Ein Märchen aus Japan
Eines Tages erkrankte die Seekönigin Otohime schwer. Boten wurden abgesandt in alle Reiche unter der See und holten die besten Doktoren herbei, aber es nützte nichts, sie wurde immer kränker und schwächer. Schon hatte man alle Hoffnung aufgegeben, als eines Tages ein Arzt, der gelehrter war als alle andern, sagte, es gäbe wohl ein Heilmittel, und das wäre eine Affenleber. Da nun Affen nicht auf dem Grunde des Meeres leben, wurde lange beraten, wie man eine solche Leber besorgen könnte. Die klügsten Köpfe des Landes kamen zusammen, und endlich beschloß man, daß die Schildkröte an Land schwimmen, einen Affen fangen und ihn sicher in das Meerschloß bringen sollte.
Es war leicht, den Beschluß zu fassen. Schwieriger war es, ihn auszuführen. Die Schildkröte schwamm also an einen Teil der Küste, der mit hohen Bäumen bestanden war. Hier, meinte sie, müßten Affen leben. Sie war alt und klug und hatte schon viel in ihrem Leben gesehen. Es dauerte aber geraume Zeit, bis sie die ersten Affen erblickte, und in ihre Nähe kamen sie überhaupt nicht. Da übermannte sie eines Tages in der Hitze der Schlaf, sosehr sie sich auch mühte, wach zu bleiben. Nach und nach kletterten nun die Affen von den Bäumen herab, weil sie merkten, daß die Schildkröte fest schlief, und weil sie noch nie eine Schildkröte in der Nähe gesehen hatten. Im Kreise standen sie um das seltsame Tier herum und staunten über den glänzenden Panzer, den es auf dem Rücken trug. Ein kleiner Affe, kühner als die übrigen, strich leise darüber hin. So leicht die Berührung war, die Schildkröte wachte doch davon auf, verhielt sich aber ganz still und wartete, bis der Affe neugierig auf ihrem Panzer Platz genommen hatte.
Da sagte sie leise und traurig: „O weh, jetzt bist du mein Herr und Gebieter, und ich muß dir dienen.“
Der Affe stutzte, da aber die Schildkröte sehr freundlich blieb, fragte er: „Was kannst du denn für mich tun?“
Die Schildkröte antwortete: „Ich muß dich spazierentragen und kann dich spazierenfahren, wohin du willst, denn du sitzt auf meinem Panzer.“
Der Affe überlegte, was ihm das für Vorteile böte. Seine Freunde waren schon längst wieder auf den Bäumen und warteten neugierig, was sich ereignen würde.
„Gut“, sagte der Affe, „fahre mit mir am Rande des Wassers entlang. Noch nie ist einer von uns in einem eigenen Boot übers Meer gefahren.“
Die Schildkröte war hocherfreut, daß sie so schnell ihren Auftrag ausführen konnte. Sie glitt mit dem Äffchen ins Wasser und entfernte sich immer schneller vom Ufer.
„Wohin fährst du, Schildkröte? Ich, dein Herr, befehle dir, mich an das Ufer zurückzubringen.“
„Fürchte dich nicht“, sprach die Schildkröte, „ich trage dich in das Reich der Seekönigin, dort hat man noch nie einen Affen gesehen. Du wirst gut aufgenommen. Später bringe ich dich wieder zurück.“
Da blieb dem Affen nichts anderes übrig, als sich still zu verhalten. Die Schildkröte schwamm so schnell wie noch nie in ihrem Leben, und bald erreichte sie den königlichen Palast.
Alle schrien vor Freude, als die Schildkröte mit der Beute eintraf, und Boten eilten zur Königin, um ihr mitzuteilen, daß sie bald wieder gesund sein würde. Ja, alle waren so glücklich, daß sie dem Äffchen einen sehr liebevollen Empfang bereiteten, so daß es bald alle Angst vergaß und mit seinem Los ganz zufrieden war. Nur hin und wieder wurde es von Heimweh gequält. Dann verkroch es sich in eine Ecke und schlug die Hände vors Gesicht.
Zufällig schwamm die Qualle vorbei. Als sie das muntere, fröhliche Äffchen so traurig dahocken sah wie ein Häufchen Unglück, sagte sie voller Mitleid: „Ja, ja, kleiner Kerl, weine nur! Ein paar Tage gönnen sie dir noch, dann
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